Der Spiegel des Göttlichen: Ludwig Feuerbachs radikale Umdeutung

Asunción: Stellen Sie sich vor, das Göttliche, das Überirdische, das scheinbar Transzendente wäre nichts als ein Echo unserer eigenen, tiefsten menschlichen Sehnsüchte und Ideale. Eine provokante These, die vor über 180 Jahren das Denken revolutionierte und bis heute nachwirkt.

Ludwig Feuerbachs Werk “Das Wesen des Christentums“ ist nicht nur eine Religionskritik, sondern eine tiefgreifende philosophische Abhandlung, die den Menschen in den Mittelpunkt rückt und Gott als Projektion seiner selbst versteht.

Doch was bedeutet das für unser Verständnis von Glauben, Humanität und unserer eigenen Existenz? Tauchen wir ein in die Welt Feuerbachs, in der der Mensch nicht nach Gottes Ebenbild geschaffen wurde, sondern Gott nach dem Bilde des Menschen.

Das Buch “Und der Mensch schuf Gott: Eine Annäherung an Ludwig Feuerbach“ von Pelagio Pérez beleuchtet die Thesen Feuerbachs genauer.

Der Autor befasst sich intensiv mit dem Denken des deutschen Philosophen und beurteilt seine Kritik an Religion und Philosophie. Das Kernproblem von Feuerbachs Idee ist die Entfremdung des Menschen in der religiösen Welt.

Die Entfremdung stellt ein philosophisches Problem dar, das Feuerbach zum Begründer einer neuen Theorie macht: Des materialistischen und säkularistischen Humanismus.

Das Hegelsche System idealisierte eine Welt jenseits von Sinnlichkeit, Materie und menschlichen Beziehungen. Mit seinem für die damalige Zeit revolutionären humanistischen Ansatz versuchte er, die wahre Bedeutung des Menschen in der immanenten Realität wiederherzustellen, da die erkenntnistheoretischen Konzepte des Hegelschen Idealismus das vermeintliche Sein aus dem Himmel metaphysischer Abstraktionen predigten.

Feuerbach greift betrachtet“Sein“ als immanente Realität, nicht als transzendente Idee. Seine analytische Kritik entmystifiziert und enthüllt daher, dass die Wahrheit von Philosophie und Theologie nichts weiter als Anthropologie ist. Mit anderen Worten: Der philosophische, theologische und religiöse Diskurs verbirgt das wahre Wesen des Menschen. Feuerbach entwickelte dieses Thema ausführlich in seinem grundlegenden Werk “Das Wesen des Christentums“ (1841), das, wie der Titel nahelegt, unter anderem die Enthüllung der Lügen des modernen Christentums bedeutet und das Problem der Entfremdung in der Religion gemäß Feuerbachs Gedankengang belegt.

Das heißt, der begriffliche, abstrakte Gott, der Mensch in seinem Geist mit seinen Kategorien des Unendlichen, Absoluten, Allmächtigen und Übersinnlichen konfiguriert, wäre nichts weiter als das Produkt seines eigenen Denkens, untergraben und in ein Objekt der Anbetung verwandelt. Gott ist auch nichts weiter als die Intelligenz, die sich selbst denkt, der Verstand, der nach der ersten Ursache sucht, die Vernunft, die sich als Selbstzweck objektiviert, oder das Selbstbewusstsein; mit anderen Worten: Gott ist Verstand, der höchste Begriff und die höchste Fähigkeit des menschlichen Denkens.

Der Inhalt des Buches lädt uns ein, das von Menschlichkeit und Religion aus anderen Perspektiven zu betrachten und zu diskutieren. Der Begriff der “Entfremdung“, der in Feuerbachs Ideen so präsent ist, dient als Analyseobjekt für die Reflexion über unsere gegenwärtigen Probleme und Realitäten.

Pelagio Pérez wurde 1985 geboren. Er hat einen Abschluss in Philosophie und einen in Guaraní- und paraguayischer Kulturanthropologie. Er hat zwei kurze Artikel in Ciencias del Sur veröffentlicht. Er war Redner auf der 1. Konferenz für Philosophie und Geisteswissenschaften im November 2024, wo er zum Thema “Die Hegelsche Linke: Vom Idealismus zur religiösen Säkularisierung und politischen Revolution“ sprach.

Wochenblatt / El Nacional

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