Jakob Martens: Am Ende die Freiheit

Filadelfia: Selten hat mich ein Bericht so in seinen Bann gezogen, wie der von Jakob Martens über sein Leben in der Ukraine und der Sowjetunion in der Zeit von und zwischen den beiden Weltriegen. Seine Ausbildung an der Zentralschule in Chortitza vermittelte ihm gute Kenntnisse der deutschen und der russischen Sprache. Über die abschließende Klassenfahrt nach Moskau und Leningrad (Sankt Petersburg) schrieb Jakob einen interessanten Bericht.

Dann begann der Erste Weltkrieg, der in Russland zum Zusammenbruch des Zarenreiches führte, die Ermordung der ganzen Zarenfamilie zur Folge hatte und in einem Bürgerkrieg endete, in dem die Kommunisten, die bürgerlichen Parteien und die anarchischen Machnobanden gegeneinander kämpften.

Der Bürgerkrieg endet 1920 mit dem Sieg der Roten Armee. Das führt zur Kontrolle des russischen Staates durch die Sowjets (Arbeiter- und Bauernräte). Die selbständigen Bauern werden zu Kulaken (Klassen- und Staatsfeinde) erklärt. Ihr Besitz: Land, Traktoren, alle Maschinen, die zur landwirtschaftlichen Produktion notwendig sind, das Vieh, die Pferde werden enteignet, alles ist nun Eigentum des Staates. Die Landwirte sehen keine Zukunft mehr für sich und ihre Kinder und planen die Flucht. Vater Martens, Dorfschulze in Grünfeld, erhält einen Hinweis, dass er als Klassenfeind in Gefahr sei, verhaftet zu werden. Noch am nächsten Morgen flieht er in ein entlegenes Dorf zu Verwandten. Die erwachsenen und minderjährigen Kinder treffen sich später mit den Eltern an einer wenig bekannten Bahnstation und steigen gemeinsam in einen Zug nach Moskau. Von hier können Sie später nach Deutschland ausreisen.

Daraufhin wird Jakob verhaftet und nach Krivoi-Rog ins Gefängnis überführt. Und nicht nur er. Der Raum füllt sich mit Bauern, Deutsche und Ukrainer, die alle das verlangte Soll an Getreide nicht erfüllen können.
Mit dieser ersten Verhaftung beginnt Jakob Martens Odyssee durch die Gefängnisse, Straf- und Umerziehungsarbeitslager in arktischen Zonen im nördlichen Russland. Er ist nun ein Häftling der GPU, der politischen Polizei, die von der Regierung in schwierigen Gebieten mit gefährlichen Arbeiten eingesetzt wird.

Inzwischen hat er die Information erhalten, dass aufgrund eines Vertrages mit der deutschen Regierung, die allein zurückgebliebenen nahen Verwandten ebenfalls ausreisen dürfen. Bei Gelegenheit verlässt er das Lager und macht sich auf den abenteuerlichen Weg nach Leningrad zum deutschen Konsulat. Hier wird ihm mitgeteolt, dass er dafür aber einen Pass bei der GPU beantragen muss. Dabei wird er erneut verhaftet und schließlich ins Gefängnis nach Archangelsk am Weißen Meer gebracht.

Eines Tages erhält er von einem Vernehmungsbeamten das Angebot, Mitarbeiter der GPU-zu werden, als freier Mann mit Monatsgehalt und allen anderen Rechten. Dies aber mit der Aufgabe, die Kontakte mit den Gruppen der deutschen und ukrainischen Bauern zu pflegen und sie auszuspionieren. Martens wehrt ab und bekommt „Bedenkzeit“. Er beschließt auch aus ethischen Gründen, das Angebot nicht anzunehmen. Man droht ihm daraufhin mit Erschießung. Es folgt aber eine Verurteilung zu weiteren drei Jahren Arbeitslager.

Dort in der Nähe des nördlichen Uralgebirges erwirbt er bei der Pflege von kranken Kameraden medizinische Kenntnisse und rettet manch einem das Leben. Er ist tüchtig und verlässlich und beliebt bei den mitgefangenen Kollegen und wird auch von den GPU-Chefs geschätzt.

Nach fünf höchst strapaziösen Jahren wird Jakob aus der Haft entlassen. Er kehrt zurück in sein Heimatdorf Grünfeld und bekommt einen Arbeitsplatz in einem nahe gelegenen Kolchos.

Mit dem Einmarsch der Deutschen Wehrmacht in Russland besetzen deutsche Soldaten wieder die Ukraine. Sie treffen auf die noch verbliebenen Deutschen in den Kollektiven. Als die Front zusammenbricht, fliehen sie im Schutz der deutschen Truppen. Das Kriegsende erlebt Jakob Martens in Ostdeutschland. Mit Hilfe des MCC kommt er 1948 in die Kolonie Fernheim im paraguayischen Chaco, wo seine Eltern und einige Geschwister wohnen.

Am Ende des Buches von Jakob Martens angekommen, habe ich das übermächtige Bedürfnis, ihn näher kennenzulernen. Seine Sehnsucht nach Freiheit, so scheint mir, hat ihm den Mut und die Kraft gegeben, alle Schikanen und Ungerechtigkeiten auszuhalten, die ihm zugefügt wurden. Er schreibt sachlich, präzise und deutlich. Man spürt weder Wut noch Hass. Er verurteilt niemanden. Verteidigt auch niemanden. Klagt auch kaum an. Akzeptiert aber auch nicht.

Ich hätte auch gern erfahren, ob er dort im Chaco die Freiheit gefunden hat, die er ersehnte und deren Erwartung ihn auf dem langen Leidensweg am Leben erhielt.

Das Buch ist als Neuherausgabe im Kliewer-Verlag, Deutschland, erschienen, hat 520 Seiten mit Karten und Fotos.
Es kann in Paraguay über
 Librería Filadelfia, Filadelfia 28, 9300 Fernheim, Tel: 0986 557 200 libreria@fernheim.com.py

in Brasilien
 ARTS & CRAFTS, Denise R. Mueller, Av. Des. Hugo Simas, 1215 – loja 2
80820-102 Curitiba / PR, artscrafts@livrariaurania.com.br

in Kanada über
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Auslieferung in Deutschland: http://www.kliewer-verlag.de/

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