Kolonie Independencia: Inmitten der tropischen Pracht des ’Jardín de Flores’ wurden die Gäste am vergangenen Sonntag Zeugen einer besonderen Premiere: Während Alex Drouven mit seinen authentischen indonesischen Spezialitäten begeisterte, präsentierte der renommierte Küchenchef Matheus Caffarena sein wegweisendes Werk über die Einwandererküche Paraguays.
Wer an den Tourismus in Paraguay denkt, hat oft Bilder von den Jesuitenreduktionen, den Wasserfällen von Iguazú oder der unendlichen Weite des Chaco im Kopf. Doch eine neue Bewegung rückt ein bisher unterschätztes Juwel in den Fokus: Die Vielfalt der Einwandererküche. Der Küchenchef und Forscher Matheus Paul Caffarena hat mit seinem Monumentalwerk “Cocina de Inmigrantes“ (Einwandererküche) einen Meilenstein gesetzt, der nun vom Nationalen Tourismussekretariat (Senatur) und dem Kultusministerium (SNC) als wegweisend für das Land eingestuft wurde.
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Eine 15-jährige Entdeckungsreise durch alle Departements
Hinter den 100 Geschichten und Rezepten des Buches steckt eine Mammutaufgabe. Über anderthalb Jahrzehnte reiste Caffarena zusammen mit seiner Frau durch das gesamte Staatsgebiet – von den geschäftigen Handelszentren im Osten bis in die abgelegensten Winkel der Cordillera und des Südens. „Wir haben im Grunde jeden Stein umgedreht, um die kulinarischen Wurzeln zu finden, die dieses Land nach dem Tripel-Allianz-Krieg wieder mit Leben gefüllt haben“, erklärt der Küchenchef.
Was als private Neugier begann, entwickelte sich zu einer kartografischen Meisterleistung. Caffarena registrierte über 200 Küchen; die ersten 100 haben es in den aktuellen Band geschafft. Für Touristen bedeutet das Buch weit mehr als eine Anleitung zum Kochen: Es ist ein Kompass für eine kulinarische Rundreise, die zeigt, dass Paraguay ein Schmelztiegel der Kulturen ist.
Die touristische Route der Aromen
Der Artikel beschreibt eine gastronomische Landkarte, die selbst erfahrene Paraguay-Kenner überrascht. Für Reisende ergeben sich daraus völlig neue Routen:
Der Mercado 4 als globales Epizentrum: In Asunción finden Touristen auf engstem Raum authentische Garküchen aus Korea, Taiwan, Bolivien und Peru. Es ist ein sensorisches Erlebnis, das den Vergleich mit großen Metropolen nicht scheuen muss.
Exotik im Chaco: Dass man inmitten der trockenen Dornsavanne des Chaco auf griechische Spezialitäten stößt, gehört zu den großen Überraschungen des Projekts.
Europäisches Erbe in der Cordillera: In Städten wie Itacurubí finden sich kulinarische Enklaven mit rumänischen, griechischen und zentraleuropäischen Einflüssen, die perfekt in die hügelige Landschaft eingebettet sind.
„Das Buch dient als gastronomischer Reiseführer für das ganze Land“, betont Caffarena. Es lädt dazu ein, das Auto zu nehmen und die Departements Guairá oder Itapúa nicht nur wegen ihrer Natur, sondern wegen ihrer Teller zu besuchen.
Migration als Fundament der Moderne
Der Tourismus-Aspekt geht hier Hand in Hand mit der Geschichte. Caffarena macht deutlich, dass die meisten Paraguayer eine Migrationsgeschichte in ihrer DNA tragen. Nach den verheerenden Kriegen des 19. Jahrhunderts waren es Einwanderer, die neue Zutaten, Techniken und Hoffnungen mitbrachten. „Hinter jedem Gericht steckt eine Geschichte der Neuerfindung, oft auch der Trauer und Sehnsucht nach der fernen Heimat“, so der Autor. Diese menschliche Komponente macht den Besuch in den beschriebenen Restaurants zu einem Akt der “kulinarischen Empathie“. Touristen konsumieren nicht nur eine Mahlzeit, sie nehmen teil an einem lebendigen Vermächtnis.
Ein Exportschlager und mediales Großprojekt
Die Resonanz ist bereits vor der offiziellen Veröffentlichung im Buchhandel gewaltig. Über den Instagram-Kanal “Cocina de Inmigrantes Py“ erreichen den Autor Bestellungen aus den USA, Kanada und Europa. Es scheint, als hätten viele ausgewanderte Paraguayer oder Nachfahren von Migranten nur auf ein solches Werk gewartet, das ihre Identität würdigt.

Doch Caffarena denkt bereits weiter. Die Reise ist noch nicht zu Ende: Ein zweiter Band ist bereits in Arbeit, ebenso wie eine audiovisuelle Dokumentation. Diese soll die Gesichter, die Dialekte und das Klappern der Pfannen in die Wohnzimmer bringen und Paraguay international als Ziel für Kulturtouristen positionieren.
„Wir wollen, dass die Menschen ihre Sichtweise auf Einwanderer verändern“, schließt Caffarena ab und fügt noch kurz an: „Wir wollen auch Respekt und Bewunderung wecken für das, was diese Familien zum kulturellen Gefüge unseres Landes beigetragen haben.“ Für den paraguayischen Tourismus markiert dieses Projekt den Beginn einer Ära, in der die Küche zum Hauptdarsteller der Reise wird.
Aktuelle Einblicke und lokale Bezugspunkte
Wie lebendig dieses Projekt ist, zeigte sich erst am vergangenen Sonntag: Caffarena besuchte mehrere Gastronomiebetriebe in der Region der Kolonie Independencia und Villarrica, darunter auch das Restaurant “El Jardín de Flores“ von Helga Hummel. In der entspannten Atmosphäre des Hauses, in dem derzeit Alex Drouven jeden Sonntag die Gäste mit indonesischen Spezialitäten begeistert, stellte der Küchenchef sein Werk persönlich vor. Für alle Neugierigen wurde dort ein Exemplar hinterlegt, das vor Ort in aller Ruhe durchgeblättert werden kann.
Wer das Buch direkt erwerben möchte, hat dazu in der Kolonie Independencia in der bekannten Confitería Alemana, einen Katzensprung vom Almacen 50 entfernt, die Gelegenheit. Darüber hinaus ist das Werk in ausgewählten Buchhandlungen sowie über die sozialen Medien erhältlich. Wer mehr über die Hintergründe des Projekts erfahren oder ein Exemplar bestellen möchte – sei es innerhalb Paraguays oder für den Versand nach Übersee – kann direkt über den Instagram-Account @cocina_de_inmigrantes_py_ Kontakt mit dem Team aufnehmen.
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