Asunción: Wenn Kinder in anderen Teilen der Welt beim Anblick von Regen die Stirn runzeln, weil er ihre Pläne durchkreuzt, gibt es in Paraguay vielerorts ein anderes Gefühl: Erleichterung. „Hurra, es regnet!“, schallt es dann oft, denn in vielen ländlichen Gebieten des Landes bedeutet ein heftiger Regenschauer: Kein Unterricht.
Was auf den ersten Blick wie ein willkommener freier Tag wirken mag, ist in Wahrheit ein alarmierendes Symptom der tiefgreifenden Bildungsmisere, die Paraguay plagt.
Infrastruktur: Das Fundament, das fehlt
Das Problem liegt oft nicht an fehlendem Willen der Lehrkräfte oder der Schüler, sondern an der mangelhaften Infrastruktur. Viele Schulen, besonders in abgelegenen Regionen, sind baufällig. Dächer lecken, Klassenzimmer überfluten, und die Wege dorthin werden bei Regen unpassierbar. Das Fehlen grundlegender Einrichtungen wie befestigter Straßen, stabiler Gebäude und angemessener Entwässerungssysteme führt dazu, dass der Unterricht bei widrigen Wetterbedingungen einfach ausfallen muss. Dies ist nicht nur eine Unannehmlichkeit, sondern eine direkte Bedrohung für die Bildungschancen unzähliger Kinder.
Eine Kette von Problemen: Von der Abwesenheit zum Rückstand
Jeder ausgefallene Schultag vertieft den Bildungsrückstand. Paraguay kämpft ohnehin mit hohen Analphabetenraten und einem niedrigen Bildungsniveau, insbesondere in ländlichen und indigenen Gemeinschaften. Wenn der Unterricht regelmäßig wegen Regen pausiert, verschärft sich dieses Problem. Kinder verpassen wichtigen Lernstoff, der Anschluss wird schwieriger, und die Motivation sinkt. Dies trägt zu den bereits hohen Abbrecherquoten bei und festigt einen Teufelskreis aus Armut und mangelnder Bildung.
Sozioökonomische Ungleichheit als Brandbeschleuniger
Die Auswirkungen des Wetters auf den Schulbesuch sind eng mit der sozioökonomischen Ungleichheit in Paraguay verknüpft. Familien in ärmeren Gegenden haben oft keine andere Wahl, als ihre Kinder auf Schulen mit unzureichender Infrastruktur zu schicken. Sie verfügen nicht über die Mittel für privaten Transport oder alternative Lernmaterialien, die den Ausfall kompensieren könnten. Die digitale Kluft verschärft die Situation zusätzlich: Während städtische Schulen und wohlhabendere Familien auf Online-Lernressourcen zurückgreifen können, sind diese Optionen für viele ländliche Schüler, die nicht einmal stabilen Internetzugang haben, schlichtweg nicht vorhanden.
Was muss sich ändern?
Um diese Bildungsmisere zu beenden, sind dringend umfassende Maßnahmen erforderlich:
-Investitionen in die Schulinfrastruktur: Es braucht robuste, wetterfeste Schulgebäude, die den klimatischen Bedingungen standhalten. Dies umfasst Dächer, die nicht lecken, und Klassenzimmer, die bei Regen nicht überfluten.
-Verbesserung der Zugangswege: Die Infrastruktur rund um die Schulen muss verbessert werden, um den sicheren und zuverlässigen Schulweg auch bei Regen zu gewährleisten.
-Alternative Lernmodelle: Für Regionen, in denen wetterbedingte Ausfälle unvermeidlich sind, müssen kreative Lösungen wie mobile Schulen oder verstärkte digitale Lernprogramme entwickelt werden – flankiert von Investitionen in die notwendige Konnektivität.
-Priorisierung von Bildung: Die paraguayische Regierung muss Bildung als oberste Priorität anerkennen und entsprechende Budgets bereitstellen. Die bisherige Unterfinanzierung hat zu dem aktuellen Zustand geführt.
Der Ausruf „Hurra, es regnet!“ sollte kein Grund zur Freude über einen schulfreien Tag sein, sondern ein Weckruf. Er ist ein klares Zeichen dafür, dass die Kinder Paraguays bessere Bildungschancen verdienen – unabhängig vom Wetter. Es ist an der Zeit, dass wir als Gesellschaft die Verantwortung übernehmen, damit jedes Kind in Paraguay das Recht auf eine ununterbrochene und qualitativ hochwertige Bildung erhält.
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