Priesterpranger in Caacupé: “Der Staat macht die Bürger zu Bettlern“

Caacupé: Ein Priester hat in Caacupé mit drastischen Worten darauf hingewiesen, dass in Paraguay eine historische Schuld gegenüber den fragilsten Teilen der Gesellschaft bestehe. Er prangerte an, dass die unzureichenden Reaktionen des Staates dazu führen, dass sich das Volk wie die biblische Figur des Lazarus fühle.

Die “Lazarusse von heute“: Migration, Bildung und Gesundheit

Pfarrer Cristino Bohnert Bauer, Rektor der Katholischen Universität, verurteilte die mangelnden effektiven Antworten auf die Notlage von Migranten, die oft gezwungen seien, ihre Heimat auf der Suche nach besseren Möglichkeiten zu verlassen, nur um an ihren neuen Bestimmungsorten Verlassenheit, Unsicherheit und Gleichgültigkeit der Institutionen zu erfahren.

Er bezog sich auch auf die Kinder, die trotz der Verpflichtungen verschiedener Regierungen immer noch keinen Zugang zu qualitativ hochwertiger Bildung erhalten und in einem System gefangen blieben, das weder Chancengleichheit noch eine würdige Zukunft garantiere. „Wenn der Staat seine Verantwortung nicht wahrnimmt, gibt er dem Volk das Gefühl, ein Lazarus zu sein“, betonte der Priester.

Auch die Situation der universitären Jugend wurde kritisiert, die mit einer mangelhaften Ausbildung in Institutionen konfrontiert sei, welche grundlegende Standards nicht erfüllten. Anstatt Motoren des sozialen Wandels zu sein, führten diese Zustände zu Frustration und Hoffnungslosigkeit.

Hinzu komme die Notlage der Kranken, die ohne Medikamente, Betten und angemessene Versorgung in den öffentlichen Krankenhäusern ausharren müssten, wodurch ein elementares Menschenrecht wie die Gesundheit verletzt werde.

Der Priester nannte all diese Menschen die “Lazarusse von heute“. Er spielte damit auf das biblische Gleichnis an und erinnerte daran, dass es gerade die Armen, die Vergessenen und die Ausgegrenzten seien, die das wahre Gesicht der sozialen Ungerechtigkeit enthüllten. Es handle sich nicht um bloße Statistiken oder Zahlen aus Berichten, sondern um konkrete Gesichter von Männern, Frauen und Kindern, die täglich ums Überleben kämpften – inmitten der Gleichgültigkeit des Staates und einer Gesellschaft, die sich daran gewöhnt habe, wegzusehen.

Glaube erfordert Gerechtigkeit und das Ende des Egoismus

Der Geistliche fügte hinzu, dass der Glaube kein Schmuck oder passiver Glaube sei, sondern eine konkrete Praxis, die Gerechtigkeit, Barmherzigkeit, Liebe und Engagement für die Umgestaltung der Gesellschaft fordere.

„Der Reichtum des Reichen wurde zu einem Tuch, das verhindert, die Not des Bruders zu sehen. Die große Sünde ist seine Unfähigkeit, die Mauer des Egoismus zu durchbrechen“, sagte er. Der Geistliche stellte diese Blindheit in direkten Zusammenhang mit der aktuellen Gleichgültigkeit der Mächtigen, die im Überfluss lebten, während sie das Leid der Menschen ignorierten.

Priester Bauer erinnerte daran, dass die Bibel nicht als Dekorationsgegenstand behandelt werden dürfe, sondern als eine praktische Anleitung, die jeden Tag zum Nachdenken anregen müsse. Er forderte die Gläubigen auf, ihren Lebensstil zu hinterfragen: Ähnele er der Nächstenliebe oder sei er von Luxus, Unterhaltung und unnötigen Ausgaben dominiert?

„Sparen, um zu teilen, Einfachheit üben, damit etwas für den anderen übrig bleibt“, empfahl er als konkreten Weg, um die Kluft zwischen denen, die besitzen, und denen, denen das Nötigste fehlt, zu überbrücken.

Der gestrige Gottesdienst fiel zudem mit dem Welttag der Migranten und Flüchtlinge zusammen. Der Priester bat in seiner Predigt um mehr Sensibilität für jene, die auf der Suche nach einer besseren Zukunft ins Land kämen. Er kritisierte, dass Migranten oft in absoluter Not lebten und so zu einem weiteren “unsichtbaren Lazarus“ für die Gesellschaft würden.

Priester Bauer schloss mit dem kritischen Fazit, dass die wahre Herausforderung in Paraguay darin bestehe, die Mauern der Gleichgültigkeit einzureißen und Brücken der Solidarität zu bauen. Nur so könnten alle “Lazarusse“ – die Migranten, die Kranken, die Kinder und die ausgeschlossenen Jugendlichen – aufhören, auf Almosen zu warten, und die konkreten Antworten auf ihre Bedürfnisse finden.

Wochenblatt / ABC Color

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