“Küsse ich päpstlich den paraguayischen Boden“

Asuncion: In einer kleinen Reihe stellen wir in den kommenden Monaten Deutschsprachige vor, die erfolgreich nach Paraguay ausgewandert sind. Auf den nachfolgenden Zeilen finden sie Paraguay aus der Sicht eines eingewanderten Österreichers.

Peter Kassl, du hast 1988 das erste Mal Paraguay besucht, bist ein paar Jahre später hierher ausgewandert.

Paraguay hat sich in den letzten 30 Jahren massiv verändert. Würdest du diesen Schritt wieder tun?

Mit 25 Jahren, wie ich sie damals hatte, sicher sofort wieder. Mit meinem heutigen Alter würde ich etwas mehr überlegen und es dann wohl auch wieder tun. Als ich 1988, im letzten Jahr der Stroessner-Regierung, hier ankam, fühlte ich mich wie auf einem anderen Planeten. Asuncion funktionierte mit zwei Straßenampeln im Zentrum, die meist kaputt waren, Steuern hat es fast keine gegeben, die Sicherheit war fast 100%. Sonst auch kaum Vorschriften. Das Land hat nach unbegrenzter Freiheit gerochen. Mit überall lachenden und freundlichen Gesichtern. Kann mich erinnern als später die ersten Bankraube stattfanden, das wurde hier wie ein Schock wahrgenommen, war hier unvorstellbar und war für Wochen ein Thema in den Medien.

Und heute?

Vieles hat sich geändert. Wenn ich daran denke, dass es damals fast nur einen Einheitskäse aus dem Chaco gab und heute die supermodernen Shoppingcenters sehe, wo man alles bekommt, wie sonst wo in einer
Weltmetropole. Oder das Steigen der Kriminalitätsraten, den Straßenverkehr, die Steuerquote etc. dann ist es offenkundig, dass auch hier die Globalisierung, zwar Gott sei Dank recht langsam aber doch, voranschreitet.

Steuern? Ist das ein großes Thema in Paraguay?

Schon. Wenn man in ein Land kommt, welches keine (!) Mehrwertsteuer & Einkommenssteuer kennt und dann diese, so wie jetzt mit 10 % erhebt ist das doch ein signifikanter Unterschied. Natürlich ist das, wie man in Österreich sagt, alles ein „Schlapf“ aber doch deutlich mehr als nichts. Bis das Steuerniveau europäische Verhältnisse erreicht, bin ich schon Jahrzehnte unter der Erde, aber es steigt. Jedes Lamentieren ist sofort verschwunden, wenn ich an die reale Steuer- und Abgabenquote in Österreich oder Deutschland denke. 50 % von einem mittleren Gehalt frisst der Staat, vom Rest gehen noch mal ca. 50 % per MwSt. und anderen Abgaben und Gebühren an den Staat, bleiben also 25 %. Wurde im Mittelalter mehr als das „Zehent“ an Steuern eingetrieben, kam es oft zu Bauernaufständen, in ein paar Jahren bleibt den Deutschen nur mehr das Zehent und keiner muckt auf. Also, danke Paraguay. I LOVE YOU ! ☺

Das Straßennetz ist hier noch sehr prekär. Schlaglöcher und rumplige Steinstraßen sind das Normalste. Bevor ich mich bei einer Reifenpanne aufrege küsse ich päpstlich den paraguayischen Boden und erinnere mich, dass mir das Auto (Mittelklassewagen) ja nur ca. 50 Euro pro Jahr an Steuern kostet. Autoversicherungen jeglicher Art sind allerdings auch keine Pflicht, sondern freiwillig. Also wo ist das Problem?

Jobmäßig bist du Geschäftsführer des Aparthotel Lipa in Asuncion und im Landesinneren führst du eine Farm. Land oder Stadt? Die Vorteile und Nachteile?

Naja, Farm ist leicht übertrieben. Es ist, für paraguayische Dimensionen, grad mal ein Schrebergarten mit 18 ha. Der mir allerdings sehr viel Freude macht. Vor ein paar Jahren wurde es für mich unübersehbar, dass Europa den Bach runter geht. Wirtschaftlich und schließe auch nicht aus, dass Mitteleuropa wieder per Krieg eingeebnet wird. So was wird auch in diesen Breiten Auswirkungen haben. Also, sich Nahrungsmittelmäßig selber und gesund zu versorgen kann kein Fehler sein. So ist dann jetzt in den letzten Jahren diese Selbsversorgerfarm entstanden. Meinen Lebensunterhalt bestreite ich mit dem Aparthotel Lipa in Asuncion.

Vorteile und Nachteile?

Mir gefällt beides. Die Freiheit am Land, mit dem Gefühl, da kann einem keiner in Nichts dreinreden, man kann tun und lassen was man will, Häuser bauen, anpflanzen, Brunnen bauen (meiner hat herrliches Wasser), Tiere jeglicher Art, praktisch keine Auflagen usw. Man fühlt sich manchmal wie in einer eigenen Republik. Toll, hat was. Allerdings, ausschließlich Landleben, wäre für mich auch nichts, so zwischendurch ein nettes Caféhaus oder mal fein Essen gehen, hat schon auch was und das hat man hier in Asuncion.

Unsere Leser sind oft auch “Auswanderungswillige“. Was würdest du ihnen raten?

Ratschläge geben ist nicht so meines. Vielleicht mal herkommen, herumreisen und schauen. Viel zuhören. Dann Nachdenken. Jeder muss selber wissen was er will. Vielleicht sollte sich, in Zeiten wie diesen, doch jeder, hier oder anderswo, ein 2. Standbein organisieren, mit permanenter Aufenthaltsgenehmigung, die man in Paraguay noch recht problemlos bekommt und vielleicht dazu ein Dach übern Kopf. Weil, wie gerade angesprochen, sehe die Zukunft für Europa angesichts der islamischen Völkerwanderung und anhand der geopolitischen Interessenslage für recht finster. Für Menschen die in einer Community leben wollen, habe ich jetzt von einem neuen Projekt im Landesinneren gehört. „El Paraiso Verde“, Österreicher sollen da speziell für deutschsprechende Auswanderer ein Projekt begonnen haben. Macht mir einen seriösen Eindruck. Es ist auch immer die Frage, kommt man alleine oder mit Familie und Kleinkindern, wegen Schule usw. Will man für immer Auswandern oder nur vorübergehend. Jedenfalls ist hier auch nicht alles „Gold“, wenn ich z.B. an die vielfach korrupte Bürokratie denke. Dagegen steht allerdings das große Maß an persönlicher Freiheit, die geringe Regelungswut der Behörden, wie schon gesagt die niedrigen Steuern, das tolle warm-heiße Wetter und die, ich hoffe meine Freundin bekommt das nicht zu Auge, die schönen Frauen.

Vielen Dank fürs Gespräch.
Über die schönen Frauen reden wir das nächste Mal.

Gesprächspartner: Peter Kassl, Kärntner Slowene, 53 Jahre alt und seit über 25 Jahren in Paraguay unternehmerisch tätig.

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