Paraguay versucht Bürgernähe bei Wahlen

Jeder Paraguayer hat ein Wahlrecht bei den Präsidentschaftswahlen 2018, schließlich leben wir in einer Demokratie. Bürgernähe wird groß geschrieben, sogar das Parlament befindet sich gleich neben dem berüchtigtsten Slum von Asunción (Chacaritas). Da ist natürlich auch klar, dass man dem Volk keine billige Abspeisung mit Wahlen per Internet oder per Brief zumutet, letzteres wäre ohnehin ein logistischer Kraftakt, müsste doch, ob der Eigenheit der staatlichen Post, die Wahlen schon Jahre vorher organisiert werden und möglichst mehrfach durchgeführt werden, damit der Empfang im Herzen Südamerikas wahrscheinlicher wird.

Santiago de Compostela. Schwenken wir auf die iberischer Halbinsel. Eine teilweise gut gekleidete Delegation reiste eigens aus Asunción und des madrilenischen Konsulats in die Hauptstadt der autonomen Gemeinschaft Galiciens und bot paraguayischen Bürgern, die vor ihrem Umzug in den kulturreichen Wallfahrtsort, eine Einschreibung ins Wahlregister ihrer heimatlichen Kommune verpasst hatten, eine Gelegenheit, dies nachzuholen.

ABC Color schickte eigens einen Korrespondenten nach Spanien, um die Zeremonie, die aus einem einfachen Bürger, fern der Heimat, einen richtigen Wähler macht, zu begleiten. Walberto Caballero Achucarro fiel diese Ehre zu, doch er langweilte sich. Von den etwa 1.000 Paraguayern, die in Galizien wohnen sollen, fanden sich lediglich vier für die erhabene Prozedur ein. Daran konnte auch der repräsentativ gewählte Ort, die Herberge der katholischen Könige (Hostal de los Reyes Católicos), am Platz Obradoiro und gegenüber der Kathedrale des Apostels Jakobus (Catedral del apóstol Santiago), nichts ändern.

Der moderate Stresspegel in der Herberge gab Caballero die Gelegenheit, im Ort nach Paraguayern zu suchen. Die Interviewpartner des Reporters wussten allesamt nichts von der Einschreibeveranstaltung, die Reaktionen reichten von unverständig bis schwer angesäuert. Eine Gruppe von vier Anwohnern besuchte darauf hin die Wahlkommission und machte ihrem Unmut über “unnütze Geldverschwendung” und die nicht vorhandene Informationspolitik Luft.

Geplant war das Einschreibelokal Samstag und Sonntag von 11:00 Uhr bis 18:00 offen zu halten, da aber das Wahlinteresse vermeintlich kaum ausgeprägt erschien, beschlossen die Wahldiplomaten am Sonntag früher zu schließen, Santiago hat auch mehr zu bieten, als nur die Herberge. Eine Mitbürgerin, die erst am Sonntagnachmittag von ihren Arbeitgebern frei bekam, stand vor verschlossenen Türen; schade eigentlich, die Einschreibungsquote hätte um 20% höher liegen können.

Anwohner belustigten sich, es wäre günstiger gewesen, den vier Wahlwilligen einen Flug nach Asunción zur Einschreibung zu bezahlen, dann hätten sie auch noch ihre Familien sehen können. Doch die Tour geht bis Ende Oktober weiter, nächste Station ist Gijón in Asturien. Die Badesaison ist leider vorbei, aber in der Stadt werden ausgezeichnete Meeresfrüchte serviert. Nach einem arbeitsintensiven Tag empfiehlt die Redaktion des Wochenblatt Paella mit Hummer und zum Dessert eine Tarta gijonesa.

Quelle: ABC Color

CC
CC
Werbung