Hitler-Satire: Er ist wieder da

Darf man über Hitler lachen? David Wnendt stellt die Frage in der Bestsellerverfilmung «Er ist wieder da» längst anders. Der Film ist komisch, aber auch bittere Realität.

«Wer isn dette?» Die Jungs auf dem Parkplatz über dem einstigen Führerbunker mitten in Berlin wundern sich, als ihnen ein scheinbar verwirrter Mann in abgerissener Nazi-Uniform entgegenkommt. Es ist die Stelle, an der einst Adolf Hitler und seine Frau Eva nach ihrem Selbstmord vom 30. April 1945 verbrannt worden sein sollen. Nur einen Steinwurf entfernt liegt heute das Holocaust-Mahnmal: Es erinnert an die sechs Millionen Juden, die während der Herrschaft des Diktators ermordet wurden.

Nun also kehrt er zurück. «Er ist wieder da» ist die Verfilmung des gleichnamigen Sensationserfolgs von Timur Vermes durch Regisseur David Wnendt. 20 Wochen lang führte die schräge Hitler-Satire 2012 die Bestsellerliste an, mehr als 2,3 Millionen Exemplare sind inzwischen verkauft, Lizenzen in 41 Sprachen vergeben.

Doch Wnendt, vielgelobter Macher des Films «Kriegerin» über die Neonazi-Szene und der Verfilmung des Skandalbuchs «Feuchtgebiete», wäre nicht Wnendt, würde er die Vorlage nicht um einige Volten weiterdrehen. Zwar macht auch bei ihm der wiedererwachte Hitler eine atemberaubende Karriere als TV-Star, weil die Menschen ihn als einen begnadeten, politisch abgedrehten Comedian sehen. Doch der Film hält vor allem dem Publikum einen Spiegel vor.

Er zeigt, wie das Deutschland von heute einen Hitler erneut aufnimmt, wie es sich von ihm wohlig aus der «Volksseele» sprechen lässt. Wenn irgendwo der Spruch noch passt vom Lachen, das einem im Halse stecken bleibt, dann bei dieser bitterbösen, erschreckenden und unbedingt sehenswerten Satire. «Mir war wichtig, die Realität in den Film zu holen, um etwas über unsere heutige Gesellschaft auszusagen», sagt Wnendt.

Mit seinem Hauptdarsteller, dem 1968 in Stuttgart geborenen Wiener Burgschauspieler Oliver Masucci, macht er eine Reise durch Deutschland und lässt ihn in voller Montur als Hitler-Double mit den Menschen von der Straße sprechen: dem Rentner, dem Arbeitslosen, der Hundezüchterin und dem bayerischen Bergbauern.

Als würde der aufgeräumte «Führer» dem Volk die Scham nehmen, über verborgene Ängste zu sprechen, sprudeln Vorurteile, Fremdenhass und  Politikverdrossenheit nur so heraus. Einmal etwa trifft A. H. auf einen Neonazi. «Mein Verständnis von Demokratie ist, dass einer ein Machtwort spricht und mal richtig auf den Putz haut», sagt der junge Mann. Und Hitler gibt zurück: «Genau das ist auch mein Verständnis von Demokratie.»

380 Stunden Filmmaterial haben die Macher von dieser Reise mitgebracht – und ein Teil davon ist als Doku-Block im Film zu sehen. Schwierig ist allerdings, dass in Borat-Manier für den Zuschauer nicht immer klar ist, ob es sich um wahres «Dunkeldeutschland» oder gekonnte Inszenierung handelt. Ein Einmarsch im Hauptquartier der rechtsextremen Partei NPD etwa, bei dem Hitler die lahme Truppe dort abkanzelt, ist schnell als Fake zu erkennen.

Auch in den fiktiven Geschichte geht es Wnendt um den Beweis, wie gut ein Adolf Hitler noch immer oder wieder bei uns ins System passt. Im fiktiven Privatsender My TV erkennt man, welches Markt- und Quotenpotenzial dieser aus dem Nichts aufgetauchte Spaßvogel mit der schnarrenden Hitler-Stimme hat – ein erbittertes Hauen und Stechen um ihn beginnt.

Für die letzte Verwischung der Ebenen sorgt schließlich der Coup, ein Tagebuch Hitlers über seine Rückkehr in die Welt zu verfilmen – ein Film im Film und jeder sieht sich mindestens doppelt. Umgesetzt ist das alles mit einer ungewöhnlichen, innovativen Bildsprache und unterlegt mit assoziationsschwangerer Musik zwischen «Clockwork Orange» und Richard Wagner.

Anders als in den meisten Hitler-Filmen von Charlie Chaplins «Großem Diktator» (1940) bis zu Bernd Eichingers «Untergang» (2004) mit dem legendären Bruno Ganz arbeiten Wnendt und Masucci bewusst daran, ihren «Führer» nicht als die Inkarnation des Bösen zu zeichnen. «Auch Hitler war ein Mensch und kein Monster», sagt Wnendt. «Ohne das Volk und die Menschen, die ihn freiwillig gewählt haben, hätte es seinen Aufstieg nicht gegeben.»

Am Schluss fährt der «Führer» huldvoll winkend im offenen Wagen durch Berlin. Die Menschen am Straßenrand grüßen, winken ihm zu oder heben gar den Arm. Nur einer zeigt wütend den Mittelfinger. Echtes Szenario oder Horrorgemälde? Es lohnt sich, darüber nachzudenken.

Von Nada Weigelt

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