Weihnachten für Flüchtlinge

Die meisten Flüchtlinge, die nach Deutschland kommen, sind Muslime. Viele von ihnen erleben nun zum ersten Mal ein christliches Weihnachtfest – zum Beispiel in Nürnberg, dem Zentrum deutscher Weihnachtsseligkeit.

Schnaittach (dpa) – So ganz verstanden hat Mustafe den Auftritt des Nürnberger Christkinds nicht. «Da waren so viele Menschen – und plötzlich wurden alle ganz still», erzählt der 17-jährige Flüchtling aus Somalia von der traditionellen Eröffnung des Weihnachtsmarktes. Ein Fußballfreund aus Deutschland hatte ihn dorthin mitgenommen. «Aber es war beeindruckend.» Mustafe ist Muslim und erlebt in diesem Jahr zum ersten Mal ein christliches Weihnachtsfest.

Erst seit wenigen Monaten ist der 17-Jährige in Deutschland. Den Prolog des Christkinds konnte er daher noch nicht ganz verstehen – es sprach ihm zu schnell. Verstanden hat er dagegen, dass es für die Besucher «ein sehr besonderer und feierlicher Anlass» war. Und auch der Christkindlesmarkt hat dem Jugendlichen gut gefallen – vor allem der Kinderpunsch sei lecker gewesen, erzählt er lachend.

Mustafe lebt im mittelfränkischen Schnaittach nahe Nürnberg in einer Wohngruppe der Caritas für jugendliche Flüchtlinge, die ohne ihre Eltern nach Deutschland gekommen sind. Etwa 60 000 dieser Jugendlichen leben inzwischen in Deutschland, in Bayern sind es nach Angaben des Sozialministeriums rund 14 500. Zu der Gruppe in Schnaittach gehören neun Jugendliche zwischen 13 und 17 Jahren. Sie alle sind Muslime und kommen aus Somalia, Afghanistan und Syrien.

Nur einige von ihnen sind schon mal mit dem Weihnachtsfest in Berührung gekommen. «Ich wusste, dass die Christen es feiern», erzählt etwa Abdul Salam aus Syrien. In seiner Heimatstadt Latakia lebten viele Christen und so hätten ihm Freunde und Schulkameraden erzählt, dass sie an Heiligabend zum Beten in die Kirche gehen und dass es Geschenke gibt. Die anderen Jungs kannten Weihnachten höchstens aus amerikanischen Filmen wie «Kevin allein zu Haus».

«Ich wusste, dass es ein wichtiger Tag für die Christen ist, aber ich wusste nicht, was an Weihnachten gefeiert wird», gibt Mustafe zu. Inzwischen ist der 17-Jährige schlauer. In der Schule hat er gelernt, dass Jesus an dem Tag geboren wurde und dass es Adventskränze und -kalender gibt. Auch mit einem Flüchtlingsmädchen, das Christin ist, spricht er über ihre verschiedenen Religionen.

Abdifatah – ebenfalls aus Somalia – erzählt, er lese zurzeit die Bibel auf Englisch und finde viele Gemeinsamkeiten zwischen dem Islam und dem Christentum. Beispielsweise feierten auch die Muslime die Geburt ihres Propheten mit einem großen Fest. Kurios finden die Jungen dagegen die christliche Idee der unbefleckten Empfängnis.

«Wir haben die Erfahrung gemacht, dass sich Menschen, die gläubig sind, auch sehr für andere Religionen interessieren», sagt Gülay Aybar-Emonds vom Inter-Kultur-Büro in Nürnberg. Sie hält es daher für eine gute Idee, muslimischen Zuwanderern die christliche Weihnachtskultur näherzubringen. «Sie bekommen die ganze Atmosphäre ja mit, da ist es sinnvoll, es ihnen zu erklären.»

Nach Angaben des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge waren rund 70 Prozent der Asylantragsteller in diesem Jahr Muslime und etwa 16 Prozent Christen. Wie viel man den Flüchtlingen zu Weihnachten zeige und erkläre, müsse man aber jedem selbst überlassen, sagt Aybar-Emonds.

Auch die Mitarbeiter in der fränkischen Wohngruppe stellen es den Jugendlichen weitgehend frei, ob sie sich mit Weihnachten befassen wollen. «Wir wollen es nicht ignorieren, ihnen aber auch nichts aufdrücken», sagt Gruppenleiterin Sofia Wunner. So war Anfang Dezember in dem Haus auch noch keinerlei Weihnachtsschmuck zu sehen. «An Heiligabend werden wir aber einen Weihnachtsbaum haben und es gibt kleine Geschenke. In die Kirche gehen aber nur die, die wollen.»

Trotzdem möchten die Caritas-Leute den Flüchtlingen ein wenig von der besonderen Stimmung im Advent mit auf den Weg geben. Eine Betreuerin hat die wichtigsten Daten und Begriffe rund um Weihnachten auf eine weiße Wandtafel gemalt. Und Wunner ging mit den Jungs auf den kleinen Weihnachtsmarkt im Ort. Zwei Standbetreiber schenkten den Flüchtlingen dort Kinderpunsch und Lebkuchen.

Einige der Jungs wollen tatsächlich alles über Weihnachten erfahren. «Wir möchten wissen, was es bedeutet und was die Christen machen», sagt Mustafe. «Mir gefällt es. Es ist toll, das alles zum ersten Mal zu sehen.» Seine Familie ist noch in Somalia, sein Vater sitze im Gefängnis, erzählt er. Denn sie gehören zu einer verfolgten Minderheit. «Dort war jeden Tag Krieg. Nach Deutschland bin ich gekommen, weil ich ein Leben wollte.»

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