Widerstand gegen Athen-Hilfen

Griechenland-Rettung mit Makel: Zwar folgt der deutsche Bundestag mit großer Mehrheit der Euro-Krisenpolitik der Kanzlerin. In der CDU/CSU-Fraktion erreichten die Nein-Stimmen aber eine Rekordzahl.

Trotz der breiten Zustimmung des deutschen Parlaments zu neuen Milliardenhilfen für Griechenland haben mehr CDU/CSU-Abgeordnete denn je Kanzlerin Angela Merkel die Gefolgschaft verweigert.

In der Sondersitzung des Bundestages stimmten am Mittwoch 63 Abgeordnete der beiden Parteien mit Nein, 3 enthielten sich, weitere 17 waren erst gar nicht erschienen. Vor einem Monat hatte es bei der letzten Griechenland-Abstimmung in der Union 60 Nein-Stimmen und fünf Enthaltungen gegeben.

Die Grünen werteten die Rekordzahl an Abweichlern als «Misstrauensvotum» in der CDU/CSU-Fraktion gegen die Krisenpolitik von CDU-Chefin Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble.

Deutschlands Zustimmung zu dem dritten Hilfspaket für Griechenland mit Krediten von bis zu 86 Milliarden Euro aus dem Euro-Rettungsschirm ESM war aber nie in Gefahr. Am Ende waren bei 584 abgegebenen Stimmen 453 Abgeordnete dafür, 113 dagegen, 18 enthielten sich.

47 Parlamentarier waren im Urlaub oder fehlten aus anderen Gründen. Die Mehrheit der Deutschen sieht die neuen Rettungsmilliarden für Griechenland kritisch, wie jüngste Umfragen zeigen.

CDU und CSU konnten sich die große Zahl an «Rebellen» leisten, da Schwarz-Rot über eine 80-Prozent-Mehrheit im Bundestag verfügt. Bei der SPD waren nur vier Abgeordnete gegen das Rettungspaket, darunter Ex-Finanzminister Peer Steinbrück. Auch die Grünen-Fraktion trug die Hilfen fast geschlossen mit.

Bei der Linken bröckelte mit sieben Enthaltungen die Nein-Front ein wenig – schließlich regiert in Athen ihre linke Schwesterpartei Syriza. SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann warf seinem Amtskollegen Gregor Gysi vor, die Linke sei dem griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras in den Rücken gefallen.

Gysi betonte, das neue Programm sei so schlecht wie die ersten beiden, weil durch Rentenkürzungen wieder die Griechen die Leidtragenden seien.

Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter warf Merkel vor, dem Zusammenhalt in Europa zu schaden. Die Regierung habe «populistisch und uneuropäisch» gehandelt, auch antideutsche Klischees bedient.

Kanzlerin Merkel meldete sich in der dreistündigen Debatte nicht zu Wort. Im Anschluss flog sie mit dem halben Kabinett zu Konsultationen nach Brasilien.

Ebenfalls am Mittwoch sollten die Niederlande als letztes Euro-Land entscheiden. Danach wollten die Euro-Finanzminister die erste Kreditrate von 26 Milliarden Euro freigeben.

Mit den neuen Hilfen soll erreicht werden, dass Athen alte Schulden bedienen kann, gleichzeitig aber auch Luft für Investitionen bekommt.

Griechenland muss bis zu diesem Donnerstag knapp 3,4 Milliarden Euro an die Europäische Zentralbank (EZB) zurückzahlen. Erst im Herbst wird sich zeigen, ob der Internationale Währungsfonds (IWF), der eine massive Umschuldung fordert, dauerhaft bei der Griechenland-Rettung an Bord bleibt.

Finanzminister Schäuble hatte im Bundestag massiv für das dreijährige Hilfsprogramm geworben: «Es wäre unverantwortlich, die Chance für einen neuen Anfang in Griechenland jetzt nicht zu nutzen.»

Einen Schuldenschnitt schloss Schäuble abermals aus. Für Deutschland sei unabdingbar, dass der IWF mit seiner Expertise weiter mitmache. Das dritte Programm startet ohne finanzielle Beteiligung des IWF.

In Griechenland schauten Medien und Bürger mit großem Interesse auf die Entscheidung in Berlin. Das staatliche Fernsehen (ERT1) und einige Nachrichtenportale übertrugen große Teile der Bundestagsdebatte live und mit griechischer Simultanübersetzung.

CC
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