Anekdoten zur Wahl

Die Wahl blieb friedlich. Die Wahlbehörde feiert. Die Software und das private Netzwerk funktionierten reibungslos. Die Organisatoren freuen sich über einen vollen Erfolg. Das Ideal allgemeiner freier und gleicher Wahlen ist allerdings noch nicht erreicht.

Die Wahlbeteiligung war gering, weniger als 50% der Bevölkerung ging an die Urnen. Das Vertrauen in den Willen der Politiker, gleich welcher Couleur, etwas für die Bürger zu tun ist gering bis nicht vorhanden. Politiker verstehen ihr Mandat allzu oft als Verpflichtung, innerhalb ihrer Amtszeit so viel wie nur möglich für sich, Familie und Freunde beiseite zu schaffen. Wer nicht raubt, wird oft nicht als ehrlich, sondern als dumm angesehen.

Aus diesem Hintergrund geht ein Großteil der Wählerschaft nur zur Wahl, um Familienangehörige oder Arbeitgeber zu unterstützen. In wahrscheinlich noch mehr Fällen wird die Wahlstimme gegen Bares eingetauscht. Das hierauf bis zu fünf Jahren Gefängnis stehen hat noch niemanden abgeschreckt, da es eigentlich nicht zu Anklagen kommt.

Der Preis pro Stimme schwankt stark abhängig von der Region. Im Gegensatz zu den Lebenshaltungskosten sind die Stimmen in Asunción am günstigsten, dies liegt sicher an der Menge. Im Stadtteil Zeballos Cué war die Stimme schon für 50.000 Guaranies zu haben. Strategisch günstig, zwischen drei Wahllokalen gelegen, bildeten sich lange Schlangen vor dem Haus eines ANR-Mitgliedes. Ein Team von ABC Color fotografierte dies, wurde aber entdeckt und musste flüchten.

Im Zentrum der Hauptstadt wurde den Wählern immerhin 100.000 Guaranies geboten. Ein weiterer Journalist fotografierte “Wahlhelfer” im Colegio San Andres von Asunción, er wurde beschimpft und bedroht. Die daneben stehenden Polizisten interessierte dies wenig, erst als weitere Journalisten dazu kamen, zogen in diesem Fall die Aktivisten der ANR ab.

In Lambaré wurde mit 150.000 Guaranies schon etwas mehr gezahlt. Roberto Cárdenas wurde persönlich beim Zählen einer großen Menge Geld vor einem Wahllokal beobachtet, möglicherweise sollte hier aber nur eine Wahlfeier vorbereitet werden. Etwa 500 Personen wurden mit Lastwagen in Villa Elisa in einem Haus konzentriert und von dort auf Wahllokale in Villa Elisa und Lambaré verteilt.

Der Kandidat für den Stadtrat, Lino Enciso, sagte, er wüsste nicht genau, woher die Menschenmenge stamme, nehme aber an aus dem Heimatort des Bürgermeisterkandidaten Pastoreo in Caaguazú. Der Anwalt von Cárdenas fand sich auch ein und klärte die Presse auf, dass dies Mitglieder einer Pfingstgemeinde seien, die eine Exkursion unternähmen. Ein nicht bekannter Mitarbeiter der Stadtverwaltung von Lambaré goss Tinte über einen Teil der Stimmzettel und versuchte diese ungültig zu machen.

Luis Talavera Ritcher wollte in der Schule Juan Gabriel Campi Medina in Lambaré wählen, musste aber feststellen, dass seine Stimme bereits vergeben war. Nach einer Diskussion mit den Wahlleitern und seiner standhaften Behauptung, weder seine Cédula verliehen zu haben und auch noch nicht zur Wahl gegangen zu sein, machten die Organisatoren eine Ausnahme und ließen ihn “erneut” wählen.

In Encarnación fand ein liberaler Wahlleiter bereits vorgefertigte Stimmzettel, diese wurden aber vor Ort vernichtet, sodass ihm lediglich ein Foto als Erinnerung bleibt, die Beweise sind vernichtet. In Carapeguá wurden die Wahlen drei Stunden lang ausgesetzt als bekannt wurde, dass die ANR ihr Logistikzentrum gleich neben einem Wahllokal eingerichtet hatten.

Im Inland musste teils deutlich mehr für den Stimmenerwerb aufgewendet werden. In Pedro Juan Caballero lag der Tarif bei 200.000 Guaranies. Hier gab es sogar eine Staatsanwältin, die gegen dies Praxis vorging. Sie verhaftete vorübergehend 10 Personen, die vor einem Haus warteten, in dem der Kandidat José Carlos Acevedo die Menschen persönlich empfing, nachdem sie ihre Stimme abgegeben hatten. Der Mut der Staatsanwältin Camila Rojas muss als außergewöhnlich angesehen werden.

Auch in Coronel Oviedo wurde ein Mitglied der Colorado-Partei verhaftet, als er Stimmen kaufte, er wurde in flagranti erwischt. In diesem Fall wurde die Nationalpolizei tätig, ein weiterer Lichtblick für das demokratische Ideal. Beim Versuch, einen weiteren “Wahlberater” in der gleichen Stadt zu verhaften, befreite eine Gruppe von Parteiführern ihn und nahm diesen mit, die Polizei blieb in diesem Fall ratlos zurück.

Für den Erhalt der Wahlprämie muss oft ein Foto als Beweisstück vorgelegt werden. In Ciudad del Este beobachtete die Wahlkommission einen Mitbürger beim Ablichten seines Stimmzettels in der gut einsehbaren geheimen Wahlkabine und annullierte seinen Stimmzettel.

In Ybytimi galt ein “Ausländertarif” für das Votum. Man nimmt an, dass der Kandidat, der extra aus Buenos Aires anreiste, 300.000 Guaranies aufwenden musste und dazu noch ein Mittagessen. Dies provozierte den Unmut der ambulanten Händler, die wegen der kostenlosen Wahlverpflegung Umsatzeinbußen in Kauf nehmen mussten. Gemäß Insidern soll das Budget in dem kleinen Ort mit seinen 4.801 Wahlberechtigten stattliche 750 Millionen PYG betragen haben.

In Loma Plata, wo der Indigene Anuncio Giesbrecht angibt, um seinen Wahlsieg bei den internen Ausscheidungen in der ANR betrogen worden zu sein, wählten die Indigenen aus Protest gegen die Colorado-Partei. Dies führte zu einem gegenteiligen Effekt, während für gewöhnlich Geld für die Abgabe einer Stimme gezahlt wird, sollen, nach Aussagen von Indigenenführen, im Chaco Cédulas aufgekauft worden sein, damit die Personen nicht zur Wahl gingen.

73 Fahrzeuge wurden erwischt, als sie unerlaubte Wahlhilfe leisteten, relativ wenig. Der Staatspräsident wählte zum dritten Mal in seinem Leben und hatte noch Schwierigkeiten, den Eingang zur Wahlkabine zu finden. Auch wenn der Wahlhergang von vielen gefeiert wird bleibt doch der bittere Nachgeschmack der Korruption als treibender demokratischer Kraft, man darf sich fragen, ob unter diesen Umständen Wahlen überhaupt Sinn machen.

Quellen: ABC Color, Última Hora, La Nación, Paraguay.com

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