Die paraguayische Nationalbibliothek

Bislang wurde für die paraguayische Nationalbibliothek ein Bestand von rund 30.000 Büchern und anderen Medien angegeben. Der Direktor Ruben Capdevilla korrigierte diese Zahl nun nach oben – und zwar nicht nur ein wenig, sondern um fast das Dreifache.

Als er Anfang 2014 sein Amt antrat, musste er nicht nur den schlechten Bauzustand der Bibliothek feststellen, die in der kleinen Seitenstraße der Peru, in der „De las Residentas“ nahe des Stadtzentrums der Hauptstadt befindet. Die meisten Räume waren nicht einmal geeignet für die Archivierung von Büchern. Im Gespräch erzählt er, dass er auch in dunklen und feuchten Kellerräumen rund 80.000 Bücher fand, in miserablen Zustand und nicht inventarisiert.

Rund ein Jahr lang habe er sich vor allem um Saubermachen, Instandsetzung und Organisation in der Bibliothek gekümmert. Anfangs konnten 80 Prozent der Mitarbeiter nicht einmal einen PC bedienen. Frühere Direktoren hätten sogar wertvolle Werke unter der Hand einfach in andere Länder verkauft. Anklagend zeigt er Räume, in denen sich die rund 25 Mitarbeiter, darunter 5 gelernte Bibliothekare und 3 technische Bibliotheksspezialisten um die Nationalbibliothek kümmern. Kaum ein Raum würde dem prüfenden Blick eines europäischen Bibliothekars standhalten.

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Noch heute müssen ob der so lange vernachlässigten Arbeit sogar in Fluren Bücher gestapelt und dem Wetter ausgesetzt auf Weiterbearbeitung warten. Dabei hat die Bibliothek zahlreiche Schätze – jahrhundertealte Werke und auch für Paraguay bedeutsame Sammlungen wichtiger Persönlichkeiten beispielsweise – im Bestand.

Mittlerweile ist ein Teil der Bücher inventarisiert und digitalisiert; aber noch immer stehen dem öffentlichen Publikum lediglich 25.000 der rund 105.000 Bücher bzw. Zeitschriften und Zeitungen zur Verfügung. Dabei ist die Bibliothek für alle Menschen offen. Jährlich verzeichnet die Bibliothek knapp 4.000 Nutzer, die über 50.000 Medien sichten. Auch ausländische Wissenschaftler sind darunter. Eine Ausleihe ist – wie in vielen Bibliotheken in Paraguay – nicht möglich.

Die Bibliothek hat ein jährliches Budget von ca. 30.000 US Dollar zum Kauf neuer Werke, freut sich jedoch auch immer über Spenden. Wie in den meisten Bibliotheken in Paraguay erfolgt die Klassifikation der Bücher nach einer leicht abgewandelten Dewey-Klassifikation.

Neben der vollständigen Erhebung und Ordnung des Bestandes hat sich Capdevilla in seiner noch kurzen Amtszeit darum gekümmert, auch die Aufgaben der ISBN-Agentur des Landes zu übernehmen. Denn die Regel der „Pflichtexemplare“ für die Nationalbibliothek funktioniert natürlich nur so gut, wie diese auch eingehalten wird. Und dies sei bislang nicht der Fall gewesen. Die Verlage hätten kein Vertrauen in die Bibliothek gehabt und daher oft auch keine Pflichtexemplare eingereicht.

Auch kümmert er sich gerade darum, eine Erhebung der öffentlichen Bibliotheken in Paraguay durchzuführen, von denen es landesweit 80 gibt, oft jedoch mit sehr kleinen Beständen, die nicht einmal fünfstellige Zahlen erreichen. Noch hat er daher einen langen Weg, bis die Nationalbibliothek wohl als solche auch fungieren kann. Zu wünschen ist es dem offensichtlichen und engagierten Buchliebhaber!

CC
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