Fremden-feindlichkeit ist Generationen-problem

Der muslimische Schriftsteller und Orientalist Navid Kermani ist als Sohn iranischer Einwanderer in Deutschland aufgewachsen. Der Buchhandels-Friedenspreisträger setzt sich für Flüchtlinge ein – und ist besorgt über Europa.

Der deutsche Schriftsteller und Wissenschaftler Navid Kermani bewertet die Feindlichkeit gegenüber Flüchtlingen als Generationenproblem. Speziell für junge Menschen seien Vielfalt und Multikulturalität in Deutschland inzwischen völlig normal, sagte Kermani (47) am Freitag auf der Frankfurter Buchmesse.

In seiner Schulzeit seien Ausländer von Deutschen noch streng getrennt worden. Der in Köln lebende Kermani, Friedenspreisträger des Deutschen Buchhandels mit iranischen Wurzeln, wird die renommierte Auszeichnung am Sonntag in der Frankfurter Paulskirche zum Abschluss der Messe entgegennehmen.

Im Widerstreit mit vor allem in Deutschland zu beobachtenden Offenheit gegenüber Fremden sieht Kermani einen wachsenden Nationalismus und Egoismus in ganz Europa. Die Renationalisierung sei besorgniserregend. Europa stecke in einer tiefen geistigen Krise. Das Flüchtlingsproblem zeige erneut, «wie zerstritten und unsolidarisch Europa ist».

Bei den Flüchtlingen gehe es immer um menschliche Einzelschicksale, und nicht um «Heerscharen von Barbaren», betonte Kermani. Er war gerade für die Zeitschrift «Der Spiegel» als Reporter auf den Flüchtlingsrouten unterwegs. Nur mit einem europäischen Einwanderungsrecht könnten legale Wege für Flüchtlinge geschaffen werden. Derzeit führe nur das illegale Überwinden der EU-Außengrenzen nach Deutschland, da niemand in den Kriegsgebieten des Nahen Ostens einen Asylantrag stellen könne.

Kermani räumte ein, dass die Integration von Hunderttausenden von Flüchtlingen nicht einfach sein werde. Ethnisch einheitliche Gesellschaften seien historisch aber immer eher die Ausnahme als die Regel gewesen. In Deutschland sei die homogene Gesellschaft der Nachkriegszeit außerdem Reaktion auf «eine weltpolitische Katastrophe» gewesen, sagte Kermani unter Anspielung auf die Nazi-Zeit.

CC
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