“Früher, da war noch alles anders, da blieb man für immer in der Partei der Eltern, der Großeltern, da hatte man noch Stolz”, erklärte mir erst kürzlich jemand beim Grillen. Was macht also ein Zeitgenosse, der nicht die gleichen politischen Ideale wie seine Ahnen teilt oder nicht immer in der Opposition sein will, beziehungsweise nie in der Opposition verharren möchte? Pragmatismus hilft hier genauso wenig wie beim Schälen einer Orange.
Die Wahlbehörde (TSJE) hat, das Informationszeitalter macht’s möglich, Daten aus dem Zivilregister mit den Wahllisten der Parteien verglichen und die Sache aufgeklärt. So hat die größte politische Partei Paraguays, die Asociación Nacional Republicana (ANR), oder im Volksmund die Colorados, 2.220.358 Mitglieder, das entspricht fast einem Drittel der Einwohnerschaft und der Hälfte der Personen im wahlfähigen Alter.
Die zweitgrößte politische Vereinigung, die Partido Liberal Radical Auténtico (PLRA) hat 648.276 eingeschriebene Mitglieder, scheinbar wollen 87,37% davon ihre Großmutter nicht enttäuschen, sodass sie in der Partei verweilen. Auf der anderen Seite wollen sie aber auch nicht auf lukrative öffentliche Posten verzichten, an die man eben nur als Mitglied der regierenden Partei kommt, was über 60 Jahre gerade nicht die PLRA war, also sind diese 87,37% (566.383) gleichzeitig auch Mitglied einer anderen Partei.
Bei den Colorados besitzen 791.014 Anhänger mindestens ein weiteres Parteibuch, sicher ist sicher. Die Wahlbehörde hat die Parteien über die Doppel- oder Mehrfach-Mitgliedschaften informiert, die sich auch dafür bedankten und ansonsten den Umstand ignorierten. Die Parteien pochen, laut dem Leiter der Behörde, Jaime Bestard, auf ihre Autonomie und darauf, dass die TSJE kein Recht habe, Einfluss auf die Mitgliedslisten zu nehmen. Die PLRA hat immerhin 6.709 Personen aus ihrer Liste gestrichen, die nicht bei den internen Voraussscheidungen abgestimmt haben,
Zwar ist das Einschreiben in die Wahllisten mehrerer Parteien ordnungswidrig und Stimmabgabe für mehrere Parteien eine Straftat, der Colorado-Politiker Bestard erwähnt deshalb, man könne die Daten auch an die Staatsanwaltschaft weiterleiten, allerdings ist es äußerst fraglich, ob irgendein Ordnungshüter sich traut hier Untersuchungen anzustellen oder gar Anklagen zu erheben. So ist es durchaus üblich das politisch Ambitionierte für eine Partei A in einer Gemeinde und gleichzeitig für Partei B in einer andern Stadt kandidieren.
Es läuft ein bisschen darauf hinaus, dass wer fest im Sattel einer Partei sitzt, sprich in Ämtern, es sich leisten kann, auch nur Mitglied bei einer Partei zu sein.
Quelle: Última Hora
der bayer
dazu ein paar bemerkungen. laut registro civico permenente haben die beiden grossparteien
folgenden mitgliederstand
ANR 2 220 358 mitlieder davon 1 429 344 nur ANR mitglied,791 014 gleichzeitig mitglied in anderen parteien
PLRA 1 214 659 mitglieder davon 648 276 nur PLRA mitglied, 566 383 gleichzeitig mitglied in anderen parteien
nun kommt das interessante. 456 269 personen sind sowohl mitglieder der ANR partei als auch der PLRA partei.
da frueher die internen wahlen an verschiedenen tagen abgehalten wurden, rekrutieren sich aus diesen 456 269
personen die “berufswaehler”, die gegen geld oder anderen verguenstigungen, an beiden wahlen teilnehmen.
besonders in der PLRA partei ist diese gruppe manchmal entscheidend, wenn es keine klaren mehrheits-
verhaeltnisse gibt, sowohl aof nationaler wie auf lokaler ebene.
da dieses mal die vorwahlen zum ersten mal am gleichen tag abgehalten werden, wird wahrscheinlich die
hoehe des angebots entscheiden an welchen wahlen diese “berufswaehler” teilnehmen. aber wir waeren nicht
in paraguay um nicht irgend einen weg zu finden doch zweimal waehlen zu koennen.zb. den rechten zeigefinger
mit einem spezialmittel einzureiben, um die tinte am finger wieder entfernen zu koennen um noch einmal
waehlen zu koennen. oder der finger eines bekannten “doppelwaehlers” wird nicht in die tinte getaucht.
der bayer
ein wichtiger nachtrag
um die mitgliederzahl der beiden grossparteien relativieren zu koennen, schreibe ich ihnen
die ergebnisse der praesidentsschaftswahlen von 2013
ANR CARTES 1 104 165 stimmen
PLRA ALEGRE 889 451 stimmen
nun die stimmen fuer den senat, also der “harte kern” der stammwaehler
ANR 865 206 stimmen
PLRA 588 054 stimmen
gesamtanzahl der waehler 2 409 437
die gruppe der “berufswaehler” werden bei dieser wahl meist bei der ANR waehlen.
1. weil es wahrscheinlich hoehre “wahlpraemien” gibt.
2. waehrend bei der PLRA nur die kandidaten fuer buergermeister und gemeinderat
zur wahl stehen, wird bei der ANR auch der parteivorsitzende und der parteivorstand
gewaehlt und auf lokaler ebene der “ortsgruppenleiter” und der lokale parteivorstand.
Oberpälzer
Hallo Bayer,
danke für deine immer informativen politischen Kommentare.