Drei Jahre nach Curuguaty

Am 15. Juni jährt sich das Massaker von Curuguaty zum dritten Mal, bei dem 17 Personen starben und in dessen Folge ein Präsident seines Amtes enthoben wurde. Nächste Woche soll das öffentliche Hauptverfahren zu dem Fall in Asunción beginnen.

Was passierte in Curuguaty? Darauf gibt es viele Antworten, die vor allem vom politischen Standpunkt des Betrachters beeinflusst werden. Die anfänglich von den Behörden erklärte und in den Medien verbreitete Position war, eine Gruppe von Polizisten geriet bei einer Räumungsaktion auf der Estancia Marina Cué des Unternehmers Blas N. Riquelme in einen Hinterhalt von Bauern, bei dem 6 Polizisten und 11 Eindringlinge getötet wurden.

Das Ereignis führte eine Woche später, am 22. Juni 2012, zur Amtsenthebung von Fernando Lugo in Folge eines politischen Blitzprozesses. Die Untersuchungen der Staatsanwaltschaft befassen sich ausschließlich mit dem Tod der 6 Polizisten und haben zu keiner Zeit dem Gedanken Raum gegeben, einer der Polizisten könnte einen Fehler gemacht haben, wie zahlreiche Personen und Organisationen des politisch linken Spektrums behaupten.

Die Estancia Marina Cué gehört der Firma Campos Morombi SA des Unternehmers und ANR-Politikers Blas Riquelme. Das Nationale Institut für Landentwicklung (Indert) behauptet allerdings, die Ländereien seien 1967 von der Firma La Industrial Paraguaya SA an das Institut übertragen worden und Riquelme habe sich zur Zeit der Diktatur ungerechtfertigt mit dem Grundstück bereichert, hierüber muss noch der höchste Gerichtshof entscheiden.

Der Richter José Benítez aus Curuguaty hatte vor drei Jahren einen Durchsuchungsbefehl unterzeichnet, um die Situation der Landbesetzung aufzuklären. Die Regierung hatte dies als Räumungsbefehl uminterpretiert, sodass 324 Polizisten mit Lastwagen, Krankenwagen und einem Hubschrauber anrückten.

In dem Camp befanden sich etwa 60 Landbesetzer, Frauen und Kinder mitgerechnet, ungefähr 18 davon bewaffnet, nach den Angaben eines Unterkommissars, die er über Funk nach drei Helikopterüberflügen durchgab. Die Staatsanwaltschaft konnte vier Schrotflinten, ein Luftgewehr, einen Revolver, 19 Sensen, 15 Macheten, 8 Messer und einen Molotov-Cocktail sicherstellen. Am 25.06. präsentierte man noch eine weitere Schrotflinte, die dem Besitzer laut seiner Aussage am 22. gestohlen wurde.

Die Polizeikräfte wurden durch die Spezialeinheit GEO aus Ciudad del Este verstärkt, ein Mitglied der Einheit sagte in einem Interview mit dem arabischen Nachrichtensender Al Jazeera: “Es war schon merkwürdig, dass die GEO aus Alta Paraná für einen Räumungsbefehl nach Curuguaty gerufen wurde, normalerweise werden dafür nur der Ordnungs-Trupp eingesetzt, aber in diesem Fall gab es eine klare Anordnung: Gerüstet zum Gefecht losziehen”.

Die meisten Zeugen sagen aus, ein Schuss auf Erven Lovera, den Chef der GEO, inmitten von Verhandlungen mit den Bauern, habe das Massaker ausgelöst, während einige Zeugen gesehen haben wollen, Lovera selber habe mit seinem Revolver den ersten Schuss abgegeben, nachdem er bei einem Handgemenge mit einer Sichel angegriffen wurde.

Die Staatsanwaltschaft hält den Bauernführer Rubén Villalba für den Mörder von Lovera, der den unbewaffneten Leiter der Einsatzgruppe kaltblütig erschossen haben soll. Der Staatsanwalt aus Curuguaty, Jalil Rachid, erklärte auch, dass die Polizisten, welche die Verhandlungen führten, unbewaffnet waren, sie seien in einen Hinterhalt geraten.

Mehrere Polizisten hatten allerdings ausgesagt, dass in unmittelbarer Nähe der Verhandlungspartner 10 Einsatzkräfte mit Maschinenpistolen die Verhandlungen sicherten und ihre Waffen die ganze Zeit auf die Bauern gerichtet hatten, die sich gegenüber verschanzten und mit ihren Gewehren auf die Polizisten zielten.

Der Staatsanwalt beruft sich auf Zeugen wenn er sagt, die Polizisten seien zunächst 30 bis 40 Minuten lang beschossen wurden, bis sie sich neu gruppieren konnten, um dann zurück zu schiessen. In einer Filmaufzeichnung dauert das Feuergefecht genau neun Sekunden.

Der Kommissar Roque Julio Fleitas, zuständig für den Hubschrauber-Einsatz, erwähnte in einem Interview mit Radio Ñandutí zahlreiches Filmmaterial, welches die Kamera des Helikopters aufgezeichnet habe. Rachid erklärte, dass die Kamera leider nicht funktionierte und so keine Bilder aufgezeichnet werden konnten. Der Anwalt der Firma Pro Ibérica, dem Lieferanten der Fluggeräte vom Typ Robinson, bestritt energisch, dass irgend etwas mit den Kameras nicht stimme und ist sich über deren Entwendung sicher.

Die Menschenrechtsorganisation Codehupy und die Anwälte der Angeklagten sprechen von ungerechtfertigter Gewalt gegenüber und regelrechten Exekutionen an den Bauern, die Staatsanwaltschaft will bis heute diesen Vorwürfen nicht nachgehen. Für die meisten der Angeklagten geht es um 25 Jahre Gefängnis, die Anklage lautet (nur) auf versuchten Mord, da nicht belegbar ist, wer genau auf wen gefeuert hat.

Die Meinungen zu dem Fall reichen von einem geplanten Hinterhalt, bei dem die unbewaffneten Polizisten gnadenlos hingerichtet wurden, möglicherweise durch versteckte Scharfschützen, bis zu einer gezielten Konspiration, um die Regierung aus dem Amt zu befördern. Die letztere These klingt allerdings absurd wenn man bedenkt, dass der damalige Innenminister, Carlos Filizzola, von der linken Partei Frente Guasu, den Einsatz genehmigte.

Die Präsidentin der “Koordinationsstelle für die Rechtsanwälte Paraguays” (Coordinadora de Abogados del Paraguay), Katya González, formuliert spitzzüngig: “Heute sind 16 Landsleute in die Parodie eines Prozesses verwickelt, aber morgen könnte es uns treffen.”

Quelle: Última Hora

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