Ein Umzug aus einem festen Haus in eine Hütte

Kolonie Sudetia: Wer heute nach Paraguay einwandert hat es wesentlich einfacher als die Pioniere vor Jahrzehnten. Einer der diesen Schritt vor über 60 Jahren wagte berichtet über seine ersten Eindrücke.

Stefan Huplmaier (vorne links im Beitragsbild) kam vor über 63 Jahren in die Kolonie Sudetia, Departement Guairá. Er erzählt über die Hintergründe, die zu diesem gewagten Schritt führten.

Mein Vater war Sohn eines Bauern, der jüngste unter mehreren Brüdern. Meine Mutter stammt aus einer 10-köpfigen Familie, deren Vorfahren aus dem bayrischen Wald in die Gegend des heutigen Münchner Flughafens ausgewandert waren.

Eigentlich wollte mein Vater in Argentinien bleiben, wohin wir ausgewandert waren. Jedoch traf er dort einen deutschsprachigen aus Paraguay, der ihn fragte, was er vorhabe. Die Antwort war: „Arbeit suchen“.

„Da kommt ihr zu nie etwas, geht nach Paraguay. Dort bekommt jeder 20 ha Land geschenkt und man kann drei Mal im Jahr pflanzen“, lautete die Antwort des Deutschsprachigen. Aber dass man 10 Mal im Jahr Unkraut hacken muss, nicht die geringste Infrastruktur oder Absatzmärkte vorhanden sind, das hat er nicht gesagt.

Unterwegs wurden meinem Vater noch die Koffer gestohlen. So kam er in der Kolonie Independencia an, mit dem, was er am Leibe trug.

Es ist verständlich, dass sich bei meinem Vater niemals eine Begeisterung für die Landarbeit entwickelte. Bei mir war das anders. Schon in früher Jugend träumte ich davon, einmal eine große Estancia zu besitzen.

Es gab in Sudetia ein Grundstück von 33 ha zum Verkauf, das mir gefiel.

Es war sehr lange verlassen gewesen, deshalb war auch das Haus ziemlich baufällig. Eugen Braselmann, einer meiner Schulkameraden, brachte mich, meine Frau und unsere sechs Monate alte Tochter in die neue Bleibe nach Sudetia. Das war am 8. April 1945. Es war gegen Mittag, als wir ankamen und meine Schwiegereltern Franz und Maria Stein waren zu Besuch. Und so saßen wir am eigenen Herd, tranken Mate, als plötzlich ein heftiger Regenguss niederging. Der Lehmboden im Haus verwandelte sich schnell in einen Morast. Also musste das Dach schnellsten repariert werden.

Anschließend legten wir bald einen Garten an, um Gemüse vorzuziehen, denn auf dem Feld war keinerlei Pflanzung vorhanden.

Bald wurde ich zu Gemeindearbeiten herangezogen. Mein Schwiegervater, der kurz vorher zum Obmann der Schule gewählt wurde, gab meinem Schwager Günther und mir den Auftrag, das Schulgebäude zu renovieren. Aufgrund dessen konnte der Unterricht in dieser Bildungseinrichtung noch bis 1970 weitergeführt werden, bis dann ein Neubau erfolgte.

In unserem Haus in Independencia hatten wir 22 Jahre gelebt. Es ging damals das Gerücht um, dass Stefan nach Paso Yobai gezogen sei, nicht Sudetia, und in äußerster Armut lebe.

Arm sind wir gewesen, aber gehungert haben wir nie. Ich habe den damaligen Schritt auch nie bereut und wir haben in Sudetia eine standhafte Bleibe gefunden.

Wochenblatt

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1 Kommentar zu “Ein Umzug aus einem festen Haus in eine Hütte

  1. 20 ha Land bekommt man bei Einwanderung heutzutage wohl nicht mehr geschenkt, oder? Ansonsten melde ich mich freiwillig. In der Mitte mein selbst erbautes Haus und in allen Windrichtungen 200.000 Lichtjahre erforderlichen Minimalabstand zur nächsten privaten Müllverbrennungsanlage und Diskothek. Ja, das sollte genügen. Dann klappt das auch mit 300 Tage Sonnenschein pro Jahr.

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