Krebsbekämpfung in Paraguay

Krebserkrankungen sind zunehmend für einen wesentlichen Teil der Leiden und Sterbefälle weltweit verantwortlich. So erkranken jedes Jahr rund 500.000 Deutsche an Krebs. Durch moderne Behandlungsmethoden überlebt jeder zweite Deutsche mindestens fünf Jahre nach Diagnose. Weltweit werden große Anstrengungen unternommen, die Krebserkrankungen zu dokumentieren, um den Handlungsbedarf für die Versorgung und Forschung abzuschätzen. In Paraguay fehlt bislang ein nationales Krebsregister. Entsprechend ist Paraguay ein „weißer Fleck“ auf Weltkarten mit Überlebensraten.

Im Jahr 2013 wurde eine umfangreiche Bewertung der Krebsbekämpfung in Lateinamerika in einer der renommiertesten wissenschaftlichen Zeitschriften vorgestellt mit dem Ziel, die zukünftige Planung zu verbessern. Paraguay und andere Länder in Lateinamerika sind nicht vorbereitet auf die alarmierende Zunahme an Krebserkrankungen, die mit dem Rückgang anderer Todesursachen, wie z.B. Infektionen, und der Zunahme der Lebenserwartung einhergeht. Laut WHO beträgt die Lebenserwartung einer Frau in Paraguay bereits 78 Jahre, eines Mannes 72 Jahre (in Deutschland 83 und 78 Jahre). Jeder dritte Mensch erkrankt in einer modernen Gesellschaft an Krebs. Das erfordert umfangreiche und sehr kostspielige Maßnahmen zur Früherkennung, Diagnostik, Behandlung und Schmerztherapie. Auch Palliativmedizin ist in Paraguay erst in Ansätzen entwickelt.

Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) war im Jahr 2014 Veranstalter des XX. Weltkongresses „Safety and Health at Work: Global Forum Prevention”. Durch die Globalisierung der Wirtschaft ist auch Deutschland gefordert, die Krebsprävention in Ländern wie Paraguay zu unterstützen, u.a. ein wichtiger Absatzmarkt für die deutsche Agrochemie. Ein Arzt aus Paraguay konnte mit der Unterstützung der DGUV den aktuellen Stand in der Krebsbekämpfung auf diesem Kongress vorstellen, mit konkreten Vorschlägen zur Verbesserung. Wissenschaftler vom Institut für Prävention und Arbeitsmedizin der DGUV haben Kollegen aus Paraguay geholfen, die Daten zur Krebssterblichkeit in Itapua auszuwerten.

In Paraguay fehlen nicht nur die zur Krebsbekämpfung notwendigen Daten, um den Versorgungsumfang abzuschätzen, sondern auch die notwendigen Ressourcen zur Versorgung der Patienten. Während es in Deutschland hoch-spezialisierte Krebskliniken, z.B. die Brustkrebszentren, gibt, haben die rund 500.000 Menschen in einer so wirtschaftlich entwickelten Region wie Itapua keine einzige Krebsklinik. Selbst in Asunción ist eine erfolgreiche Krebsbehandlung noch immer nicht für alle Krebsformen nach heutigen Standards möglich. Das Children’s Hospital in Los Angeles hat die Situation in Paraguay analysiert und bei der Behandlung von Hirntumoren bei Kindern erhebliche Mängel festgestellt. Es fehlten beispielsweise ausgebildete Krankenschwestern, auch auf dem Gebiet der psychischen Betreuung, und Magnetresonanztomographen, um mittels Bildgebung den Neurochirurgen zu unterstützen, den Tumor ausreichend vollständig zu entfernen. Selbst bei erfolgreicher Operation verstarben Kinder an Sekundärinfektionen. Dieses Beispiel zeigt, dass internationale Zusammenarbeit mit Experten notwendig ist, um die Überlebensraten auf den internationalen Standard anzuheben.

Paraguay ist, nach Einschätzung der Weltbank, eines der wirtschaftlich erfolgreichsten Länder in Südamerika. Daher hat es jetzt die ökonomischen Voraussetzungen, auch ein nationales „Krebsprogramm“ aufzustellen. Solche Programme gibt es nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen Ländern von Südamerika wie z.B. Peru. Welche Schritte sind dabei notwendig, um von einem der letzten Plätze in der Krebsversorgung weltweit einen geachteten Standard zu erreichen? Es muss zunächst die Datenbasis hergestellt werden, um den Versorgungsumfang – die Zahl der Krebsfälle – abzuschätzen, und Krebsregister müssen etabliert werden, die die aktuellen Überlebensraten ermitteln. Krebserkrankungen können aber nur erforscht werden, wenn es eine Krebsbehandlung gibt, also Krebskliniken. Aufstrebende Städte wie Encarnación sind daher gefordert, eine Krebsklinik einzurichten. Die Ärzte der jungen Universität von Itapua sind sich der Herausforderungen bewusst und in entsprechende Planungen eingetreten.

Paraguay braucht für eine erfolgreiche Etablierung eines Krebsprogramms internationale Unterstützung. Das Wochenblatt sprach mit Frau Dr. Beate Pesch, der Leiterin des Kompetenzzentrums Epidemiologie am Institut für Prävention und Arbeitsmedizin (IPA) der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung. Sie ist Expertin für Krebsepidemiologie und Krebsfrüherkennung  und seit über 20 Jahren selbst oft in Paraguay. Sie hat Studien auch in internationalen Netzwerken durchgeführt und einen Krebsatlas für das Land Nordrhein-Westfalen erstellt. Das Wochenblatt berichtete bereits, dass das IPA gemeinsam mit der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung und der Universität Norte in Asuncion im nächsten Jahr (3.-4. Oktober 2016 – das Wochenblatt berichtete in Zusammenhang mit der Expo Alemania) in Asunción ein Symposium zum Thema „Cancer Control in Latin America“ durchführen wird.

Die habilitierte Medizinerin erläuterte, dass hierzu internationale Experten und Vertreter wichtiger Organisationen wie der Internationalen Krebsagentur (IARC) und der Panamerikanischen Gesundheitsorganisation (PAHO) eingeladen wurden, um mit Ärzten und weiteren Interessenvertretern aus Paraguay zu diskutieren, welche Schritte notwendig sind, um in absehbarer Zeit einen nationalen Krebsplan auf einem hohen Standard zu entwickeln und umzusetzen. Das erfordere auch die Ausbildung von Onkologen und weiteren Fachärzten zum Einsatz moderner Methoden der Diagnostik und Therapie. Dazu könne Deutschland wesentlich beitragen, insbesondere mit den Programmen des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) für junge Wissenschaftler aus Paraguay oder des Senior Expert Service (SES) für deutsche Experten beim Aufbau von Krebszentren. Auch wichtige Forschungsprojekte in Deutschland, z.B. zu Tumormarkern, können helfen, die Früherkennung und Diagnostik von Krebs zu verbessern.

CC
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6 Kommentare zu “Krebsbekämpfung in Paraguay

  1. Krebs ist doch von der “Gesundheitsindistrie” gewollt und bringt satte Gewinne. Spielt auch keine Rolle, dass die meisten Krebspatienten an ihrer Chemo sterben, Hauptsache Gewinne! Krebs wär sicher längst von der Agenda, wenn die Pharma echtes Interesse an dessen Ausrottung hätte, hat sie aber nicht!

  2. Krebsüberlebende sind in Wahrheit Chemotherapieüberlebende.
    Wer glaubt, daß starke Zellgifte nur Krebszellen zerstören, der glaubt auch, daß Zitronenfalter Zitronen falten.

    1. Das sollte man vielleicht relativ sehen. So eine Aussage ist ein Schlag ins Gesicht aller Krebspatienten, die den Krebs besiegt haben.
      Eine gute Bekannte hatte vor 15 Jahren eine Chemo und es geht ihr heute sehr gut. Ohne Chemo wäre sie nur noch Erinnerung.

  3. Leider ist Krebs für viele Patienten immer noch unheilbar. Ich bin gebürtige Paraguayerin und lebe in den USA, in der Hoffnung, mich bald in Paraguay zurückzuziehen. Ich habe meine Frau letztes Jahr in den USA an dieser gefürchteten Krankheit verloren. Alles wurde für und für sie getan. In Paraguay existiert das Instituto Nacional del Cancer seit vielen Jahrzehnten. Ich bin sicher, dass sie Statistiken über die Krebsinzidenz haben. Ja, Paraguay braucht mehr Krebskliniken. Würde dies jedoch wirklich einen großen Unterschied machen? Ich stimme den Lesern zu, dass Krebsüberlebende oft Chemotherapie-Überlebende sind. Ich glaube nicht, dass die Pharmaunternehmen daran schuld sind. Das Endergebnis? Wir brauchen ein Heilmittel gegen Krebs, und es sieht nicht so aus, als ob es von mehr Chemotherapie kommen würde,

  4. Millionen Tonnen radioaktives Material im Atlantik versenkt (und wer weiß wo sonst noch), militärische Atomversuche, Asbest und viele Umweltgifte scheinen dem Menschen nicht gut zu bekommen (auch wenn der Pazifik schier unendlich groß ist und gut verdünnt).

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