Vom Bruderhof in die Diktatur

Asunción: Die Bruderhof-Bewegung fand 1919 ihren Beginn in einer Berliner Wohnung, wo das Ehepaar Eberhard und Emmy Arnold zu Offenen Abenden einlud, um nach anderen Möglichkeiten eines praktischen Christentums zu suchen.

Die kommunistischen Bruderhöfer sind eine neutäuferische Bewegung. Nach der Vertreibung durch die Nationalsozialisten 1937 fanden sie zunächst Zuflucht im Fürstentum Liechtenstein und später in England. Unter ihnen befanden sich auch die Deutschen Alfred und Gretel Gneiting, die mit ihren fünf Kindern, Jakob, Michael, Dorothea, Margarethe und Lienhard 1940 entscheiden von Liverpool nach Paraguay aufzubrechen, da das südamerikanische Land 350 Bruderhöfern Schutz anbot. Sie wurden von den Mennoniten im zentralen Chaco aufgenommen. Doch als Sozialisten, Pazifisten war ihnen das zu nationale Gedankengut der Mennoniten etwas zu wider und sie kehrten Fernheim wieder den Rücken.

Im Jahr 1941 gründeten sie die Kolonie Primavera, eine sozialistisch-geordnete Ortschaft ganz in der Nähe von Rosario und Friesland im Departement San Pedro. Ende der Fünfziger lebten da rund 18 verschiedene Nationalitäten, von denen 50% Briten und 20% Deutsche waren. Die Kolonisten waren bekannt für ihre Selbstversorgung und ihre Fähigkeit Holz zu bearbeiten. Im Jahr 1961 wurde die Kolonie wegen dem autokratischen Verhaltens von Heinrich Arnold aufgelöst. Die Mehrzahl der 800 Bruderhöfer zog es in die USA, wo weitere ihrer Brüder lebten.

Michael Gneiting, der mit 5 Jahren nach Paraguay kam, entschied sich als einer der Wenigen in Paraguay zu bleiben. In Asunción lernte er einen Agrar-Pionier mit dem Namen Hermann Wilcke kennen, der 1883 in Deutschland geboren wurde und 1917 nach Carmen del Paraná zog. Zusammen mit seiner zweiten Ehefrau, Elsa Wilcke (Beitragsbild) wurden sie Besitzer großer Landflächen, wo Reis angebaut und Forstwirtschaft betrieben wurde. Im Jahr 1954, als Stroessner an die Macht kam, lernte Hermann Wilcke Michael Gneiting kennen und engagierte ihn als Landmaschinenmechaniker.

Michael Gneiting verheiratete sich mit Irene Dichtiar, adoptierte Tochter der Wilckes, mit welcher er insgesamt sieben Kinder hatte, Carmen Lucía, Germán, Gladys, Mónica, Ricardo (+), Luis (+) und Claudia.

Elsa Wilcke starb im Jahr 1967 und im darauffolgenden Jahr wurde die Stiftung Hermann y Elsa Wilcke in Gedenken eingerichtet. Nachdem auch Hermann Wilcke 1975 starb, gingen auch seine Grundstücke an die Stiftung. Obwohl ihre Adoptivtochter Irene Dichtiar de Gneiting Alleinerbin wurde, ernannte sie Michael Gneiting zum Präsident der Stiftung, wodurch dieser große Landflächen in und um Carmen del Paraná unter seiner Kontrolle standen.

Michael Gneiting

Michael Gneiting, der eigentlich in einem sozialistisch-kommunistischen Umfeld aufwuchs, wurde bald zum glühenden Anhänger von Stroessner und dominierte das politische Leben in Carmen del Paraná für Jahrzehnte. Im Jahr 1970, mit 35 Jahren, nahm er die paraguayische Staatsbürgerschaft an um politische Ämter bekleiden zu können. Er war als sehr überheblich bekannt und nannte die Stadt sein Territorium. Im Jahr 1979 ließ sich Michael Gneiting von Irene Dichtiar scheiden und heiratete Elizabeth Jojot de Gneiting, mit der er drei weitere Kinder hatte, Michelle, Ivone und Joaquín. Die Kontrolle über die Stiftung behielt er dennoch und somit auch seinen Einfluss.

Im Jahr 2009 kam heraus, dass sein Sohn Luis Gneiting, 1.200 Hektar Sumpflandschaft der Stiftung in Itapúa gegen 56.000 Hektar Land im Chaco eintauschte. Luis Gneiting versicherte, dass dieses Grundstück nicht seiner Familie gehöre sondern der Stiftung, gestand jedoch wenig später ein, dass sein Vater der Präsident der Stiftung sei.

Luis Gneiting war von 1997 – 1999 Bürgermeister von Carmen del Paraná und von 2013 – 2018 Gouverneur von Itapúa. Unter Horacio Cartes war er erst Abgeordneter und später Landwirtschaftsminister, wo er am 25. Juli 2018 bei einem missglückten Start am Flughafen Ayolas verstarb.

Elisabeth Jojot, die zweite Ehefrau von Michael Gneiting war von 2001 – 2006 Bürgermeisterin von Carmen del Paraná. Germán Alfredo Gneiting Dichtiar, war insgesamt vier Mal Bürgermeister des Ortes.

Michael Gneiting verbrachte seine Kindheit und Jugend im sozialistischen Christentum der Bruderhöfer, wurde jedoch im Jahr 2014 angezeigt einen Traktor des Landwirtschaftsministerium gestohlen zu haben.

Wochenblatt / Wikipedia / Última Hora

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3 Kommentare zu “Vom Bruderhof in die Diktatur

  1. Amos Reichsfreiherr Ochs von Oxenleben

    Interessant, aber voellig unbekannt fuer die meisten Leute – auch so quasi keiner der Mennoniten duerfte dieses gewusst haben.
    Die Fernheimer hatten in der Tat mal ein kurzes Zusammenleben mit den Hutterern. Diese Leute wurden Hutterer genannt – was sie auch wahrscheinlich waren. Allerdings was das Miteinander von kurzer Dauer da den Hutterern die Mennoniten des Chaco “zu weltlich” waren “wo man den Glauben nicht sah”. Speziell meinten sie die Fernheimer. Diese Hutterer weigerten sich u.a. Gummireifen zu benutzen und waren gegen motorisierte Fahrzeuge – Pferd und Kutsche war ihr Metier. Bis sie dann irgendwann nach den USA zogen in die Zonen wo Amishe und Hutterer lebten (ich glaub meist nach Kansas).
    Bei Hutterern und Mennoniten sowie Amish ist das Christentum eher Tradition. Deswegen gibts auch opportun ne Ehescheidung bei Gneiting so schnell das soziale Umfeld es erlaubt.
    Die Hutterer ORF Tirol https://www.youtube.com/watch?v=5RPSxqAzctw
    Innovation und “revidierung der Ansichten” gibt es kaum unter solchen Bruderhoeflern da meist mit den Jahrhunderten die Mentalitaet versteinert und Glaube zu Tradition mutiert. Hutterer, Amish und Mennoniten setzten auf “Angewoehnung” anstatt Einsicht, neue Kreatur und “lebendigem” Glauben. Studiert man diese Volksgruppen so kennt man genau die Effekte der Abschottung und Isolation und dass diese praktisch nicht zur Internetaera gefuehrt haben und wahren Glauben auch nicht stabil in Raum und Zeit erhalten konnten. Kanadische Mennoniten die aus solchen Gemeinschaften eingewandert sind kennzeichnen sich meist durch ihre “Trinkfestigkeit” – quatscht man sie an ueber Jesus und Gott so sind sie hoffnungslos ueberfragt. Vielerorts haben solche auch noch den Katechismus, was ja ein Ueberbleibsel des Lutheranertums und Katholizismus ist – man hat den Kathechismus weil der Trottel mit dem direkten Wort Gottes, also die Bibel, wenig bis nichts anzufangen weiss.
    Moderne Glaeubige wie ich sind dank der Gnade Gottes den vergangenen Generationen in Erkenntnis haushoch ueberlegen da man den Wust der Traditionen der Jahrhunderte mal ganz weggeworfen hat und wie Luther und Menno Simons direkt zur Bibel uebergegangen sind und heute auch messianische Juden zur Hilfe hat um Konsultationen zu machen – das ermoeglichte das Internet. Vergangen Generationen hatten eben NICHT die Moeglichkeiten die wir heute haben und sind zum Teil deswegen irgendwann stehengeblieben. Vergangene Generationen hatten aber “den eisernen Kern” und “gelebtes Christentum” was die heutige Generation praktisch nicht mehr hat und nie hatte.
    Hutterertum und Amish sind KEINE Alternativen mehr da auch in den USA diese Kolonien auseinanderbrechen – versteinerte Traditionen und Meinungen verursachen das wo mehr Schein als Sein zu finden sind. Klar gibt es genug “Echte” unter den Hutterern und Amish aber eben auch immer mehr solche wie Gneiting die sich dann in der Welt verlieren und irgendwann alle guten Vorsaetze fahrenlassen.
    Allerdings geht die ganze Welt langsam zum Hutteresystem ueber mit dem “Bedingungslosen Grundeinkommen” fuer alle Menschen auf der Welt wie kuerzlich die WHO auch forderte. Die Hutterer sind reich. Jeder hat immer zu essen muss aber im Schweisse des Angesichts arbeiten – das ist kein bequemes Farmerleben wie der Staedter es sich vorstellt. Fuer Kommentare beim Wochenblatt haben Hutterer keine Zeit und die Amish auch nicht. Aber das Einkommen ist da gleichberechtigt verteilt denn man hat alles zusammen ausser Frau und Kind.
    Das Hutterersystem und die Amish koennen teilweise als Modell dienen wie eine relativ oekonomisch heile Welt funktionieren koennte. Denn die heutigen preissetzenden Laender (Reichen) leben auf kosten der preisnehmenden Laender (Armen). Um die oekonomische Ungleichheit zu beseitigen muss was geschehen und da koennte man zu den Hutterern schauen – aber eben, Gneiting wollte weg aus dem Hutterersystem und das wohl nicht ohne Grund. Fuer Jeff Bezos, Bill Gates und Elon Musk ist in der tat nicht viel Entfaltungsraum innerhalb der Huttererkolonie – und das ist der groesste Fehler solcher Systeme. Sie ersticken Talente.
    Warum ist Deutschland (noch!) ein reiches Land? (8.9) https://www.youtube.com/watch?v=z0JeA-OERW8&t=323s
    Die Hutterer produzieren teuer, d.h. ihre Produkte sind teurer als die der Amerikaner rundherum der Kolonien – sie sind auch Preissetzer.

  2. Amos Reichsfreiherr Ochs von Oxenleben

    Die Phrase “das zu nationale Gedankengut der Mennoniten (im Chaco)” bezieht sich darauf, dass es damals bei den Fernheimern 2 Lager gab: ein neutrales und eines pro NSDAP und Adolph Hitler. Da diese Gruppe Mennoniten ja gerade aus der Ukraine von den Bolschewiken vertrieben wurde und (nachher) im Laufe des 2. Weltkrieges in Russland verbliebene Teile mit der Wehrmacht und Waffen SS mitmachten.
    Diese englischen Bruderhoefler sind unter Mennoniten als “Hutterer” bekannt. Es war ihnen “zu weltlich” bei den Mennoniten und so reisten sie nach kurzer Zeit ab meist nach Kansas wo im Chaco verbliebene dieser Hutterer noch Verwandtschaft haben.
    Allerdings broekelt auch da die heile Welt gewaltig und Vertuschungen sind an der Tagesordnung.
    Das ganze ist aehnlich den Amischen wo die Hutterer eher ehemals aus Oesterreich/Schweiz kommen wo die Amischen eher aus Deutschland stammen und breiteren Zulauf erhielten aus mehreren Laendern als die Hutterer.
    Kindesmissbrauch, etc ist gang und gaebe in solchen geschlossenen Gemeinschaften – wohl deshalb oeffneten sich die Mennnoniten mal “zur Welt”.
    Real Amish: Why I’m fighting for sexually abused Amish children and women https://www.youtube.com/watch?v=ls2sZN1qpX4
    Why I Ran Away From The Amish https://www.youtube.com/watch?v=8LK0N_Oa8sU

    1. Amos Reichsfreiherr Ochs von Oxenleben

      Warum waren die Fernheimer Mennoniten pro Nazi?
      Wegen diesem nach damaligen Quellen: “die Mennoniten bemerkten nach 1917 in der Ukraine ploetzlich, dass die meisten Schergen der KPdSU, Anarchisten und Kommunisten, bekannte Juden waren aus ihren umliegenden Staedten und Doerfern die dann als Komissare auftraten (Interrogationskomissare, aka Folterknechte) und ihre verschwundenen Familienangehoerigen von diesen (eben meist Juden) gefoltert wurden. Stalin warf dann spaeter so halbwegs seine eigenen Juden raus aus der KPdSU (Trotzky und dergleichen) und saeuberte Russland von den Juden so dass diese so halbwegs aus Fuehrungspositionen verschwanden – so dass er selber als Jude allein uebrig blieb an der Fuehrungsspitze. Also die Flinte ging fuer die Juden nach hinten los in jeglicher hinsicht da sie von ihren eigenen Leuten verfolgt wurden – aehnlich was heute in Israel passiert.”
      Und wohl deswegen ware Teile Fernheims damals pro NSDAP weil man sah dass der Kommunismus in den Anfaengen eine “juedische Bewegung” war wo praedominant die ihnen bekannten Juden aus ihrem Umfeld aktiv waren.
      Offiziell galt der Kommunismus unter Mennoniten immer als “juedische Bewegung” – ob jetzt zu recht oder unrecht, das weiss ich nicht und kann es aus rueckwaertiger Warte auch nicht genau beurteilen.
      Das mochten dann die Hutterer nicht und so gabt nix von den gemeinsamen Bruderhoefen.
      In der Kolonie Menno fassten die Nazi Bewerber nie fuss, obwohl vom Naziregime Agenten entsandt waren um die Mennoniten fuer die Sache zu begeistern – wohl um die dann zurueck in die neueroberten Gebiete ueberzusiedeln was ja auch der Wunsch der Fernheimer war. Die Kolonie Neuland existierte damals noch nicht.

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