Weihnachten an der Front

Nanawa: Besonders in der Ferne und an Feiertagen, wie Weihnachten, denkt man an seine Familie und Angehörige. So auch Klaus Werner Rexerodt, ein junger Deutsch-Paraguayer, der im Chaco kämpfte und von da einen bewegenden Brief versendete.

Klaus Werner Rexerodt wurde 1912 in Hohenau, Departement Itapúa, geboren und starb im Januar 1933 bei der ersten Schlacht von Nanawa im Departement Presidente Hayes. Er schrieb seiner Tante samt Familie in deutscher Sprache.

Liebe Familie Schultz,

Ich habe die Hoffnung, dass dieser Brief euch alle mit bester Gesundheit erreicht. Wenn dieser Brief euch erreicht ist Weihnachten vorüber. Trotzdem wünsch ich euch allen frohes Fest und ein gesundes neues Jahr. Für uns, hier im Chaco, wird es kein Fest oder nichts zu feiern geben; jedoch haben ich mich am 24. an euch erinnert und mich an eine Krippe und den Weihnachtsbaum gedacht.

Als ich euch den letzten Brief schickte, rückten wir zum Posten Mayor Alvarez vor. Es waren ungefähr 6,5 Wegstunden. Es war Nacht als wir todmüde ankamen. Gott sei Dank hatten wir Wasser während des ganzen Weges. Am Ende unseres Marsches durchquerten wir einen Sumpf voller Dornenbüsche; die Stiefel mussten wir danach reinigen. Am darauffolgenden Morgen liefen wir weiter, uns allen taten die Beine weh. So kamen wir am Posten N° 2 an, erneut 6,5 Wegstunden gelaufen. Es war der 25. November. Unsere Beine hatten Wunden. Am Nachmittag wurden zwei Kälber geschlachtet. Es gab wenig Wasser. Seit langem regnete es nicht mehr. Am nächsten Tag liefen wir wieder. Staub lag in der Luft, viel Staub. Die Hitze ließ das Blut in unseren Venen kochen. Die Aspirin Tabletten, die ihr mir geschickt habt, halfen mir sehr.

Um 15 Uhr an diesem Nachmittag kamen wir an eine Wasserstelle, wo wir unseren Durst stillen und unsere Wasserflaschen auffüllen konnten. Kurz darauf wurden wieder Kälber geschlachtet und ein Asado vorbereitet. Danach wurde sich ausgeruht. Wir schliefen bis um 5 Uhr. Dann ging es weiter nach Laguna Bella. An diesem Ort kam es am 1. Oktober zum Kampf mit den Bolivianern. Am nächsten Morgen fanden wir sechs Leichen paraguayischer Soldaten. Wir schliefen zwischen Toten. Sie hatten noch ihren typischen Sonnenhut auf. Wir brachten sie zu ihrer letzten Ruhestätte. Zum Mittagessen landeten genau die Fliegen, die eben noch um die Leichen flogen, auf unseren Tellern. Wir waren viel gewohnt aber das war zuviel. Wir machten das wir weg kamen von da.

Am nächsten Morgen überfielen wir das Fortín. Welche Überraschung, die bolivianischen Truppen waren geflohen, ihr Befehlshaber, ein Offizier mit einem Pferd ohne Sattel, ebenso. Wir verbrannten Palo Santo, der ihnen als Wachturm diente. Er hatte eine Höhe von 30 Metern, eine rare Sache. Wir haben alles angesteckt, die Mauern zerstört. Wir fanden die Jacke, die Hose, eine Golduhr, den Säbel, die Stiefel, die Geldbörse und den Revolver des Offiziers. Wir kehrten zurück nach Laguna Bella und schickten eine Kommission nach Puesto Moreno. Die Flugzeuge unserer Gegner flogen den ganzen Tag über unsere Köpfe.

Abends wurde bekannt, dass sich rund 500 Männer mit zwei Kanonen und einigen Maschinengewehren annähern. Kapitän Rodríguez befahl umgehend den Rückzug. Wir haben uns neben den Sumpf eingerichtet. Am darauffolgenden Morgen kam die Kommission wieder, die nach Puerto Moreno geschickt wurde. Sie sagten dass es da keine Bolivianer gab, brachten jedoch einen Spion mit. Er wurde um 11 Uhr an dem Morgen erschossen und beerdigt. Danach zogen wir weiter. Wir sind durch den trockenen Flusslauf des Rio Pilcomayo gelaufen. Uns taten die Füsse weh, die Stiefel lösten sich langsam auf, kein einziger Tropfen Wasser während des Marschs. Abends gegen 20 Uhr kamen wir am Posten N° 2 an. Da fanden wir Wasser und tranken ohne Ende. Zu Essen gab es nichts und nachdem wir wieder sieben Stunden gegangen sind schliefen wir umgehend ein.

Am Mittag des kommenden Tages kamen wir zum Posten N° 1 Mayor Alvarez. All diese Posten gehörten einem Argentinier, sie nannten ihn Mauricio Alvarez. Es wurden einige Kälber geschlachtet. Ein Asado blieb nicht aus. Wasser gab es auch im Überfluss. Weiter laufend kamen wir am nächsten Tag zum Posten der Vögel (Puesto de las Aves). Wieder wurde geschlachtet. Die Brunnen hatten kaum Wasser. Wir ruhten uns etwas aus, da wir in 6 Tagen 41 Stunden marschierten. Am siebenten Tag kam der Befehl von Plácido Jara weiter zu laufen. Wir beeilten uns und in den Nachtstunden kamen wir im Juan E. O’Leary Camp an, welches 5,5 Wegstunden vom Vogelposten entfernt liegt. Da empfing uns der Kommandant.

Am darauffolgenden Tag erhielt jeder Soldat 15 Zigarren und eine Schachtel Streichhölzer. Danach gings auf zum Fortín López, was wieder 5,5 Wegstunden entfernt lag. Am Mittag kamen wir an. Von da aus ging es weiter zum Fortín General Duarte, was wir am gleichen Abend erreichten. Dies liegt in der Zone von Nanawa.

Stellt euch vor, am kommenden Tag, nach zwei Monaten, gaben sie uns eine Kanne „Mate dulce” mit jeweils 5 Brötchen. Das war so was von wohlschmeckend. Zum Mittag gab es drei Brötchen und eine leckere Suppe, die sogar Salz enthielt. Nachmittags kam der Kommandant und erklärte uns, dass für uns Pferde bereitstehen. Im gleichen Moment gab er uns Sattelzeug und sechs Zigarren por Soldat. Abends aßen wir eine weitere Suppe und sie brachten uns die Pferde. Wir ritten zurück bis eine Wegstunde vor Fortín Duarte.

Am kommenden Morgen machten wir uns auf die Suche nach den Bolivianern und wir fanden sie. Wir attackierten sie einen Moment um uns danach wieder zurückzuziehen. Wir hatten vor sie weiter anzugreifen, doch sie flohen. Wir kehrten zurück und suchten weiter bis wir wieder zurück zum Fortín Duarte kamen. Es kam zu einem Kampf. Die Kugeln flogen uns um die Ohren. Dann hörten wir ein Geräusch wie eine Sirene. Es waren Granaten. Nach 2,5 Stunden Kampf mussten wir uns zurückziehen. Wir waren 39 Mann gegen 6 Maschinengewehre. Wir kehrten zu unserem Kommando zurück. Die Pferde waren ausgelaugt. Fast täglich verloren wir eins. Wir mussten sie vergraben, hier gibt es keine Geier die sich um tote Tiere kümmern.

Die Regenzeit begann, die Flüsse begannen zu wachsen. Normal sind es trockene Flussbetten, die nur in der Regenzeit sich mit Wasser füllen. In diesen Stunden der Ruhe frage ich mich, weswegen wir kämpfen. Hier fehlt es an den schönen Wäldern des Alto Paraná, es gibt keine kleinen Bäche, keine Hügel, keine Berge aber jede Menge Mücken und das Tag und Nacht. Es ist eine traurige Gegend die mit Australien verglichen werden kann (stelle ich mir vor). Ich habe mir geschworen nicht länger hier zu bleiben als notwendig, von meinem Alto Paraná. Der Tot ist traurig. Sagt Citita bitte, dass ich die Blüten die sie mir geschickt hat bei mir trage.

Grüsse und Umarmungen

Klaus Werner Rexerodt

Fortín Duarte 1. 12. 1932

Wochenblatt / revistay.com

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