Auswanderung aus Österreich: Eine Geschichte, die bis heute nur sehr wenigen bekannt ist

Wien: Verschieden sind die Gründe, weswegen Menschen aus Europa nach Paraguay kommen. Schon vor mehr als hundert Jahren kamen sie um ihr Glück zu suchen. Hier eine Geschichte einiger Österreicher, die bis heute nur sehr wenigen bekannt ist.

Aufgrund der wirtschaftlichen Not vieler Tiroler Bauern hatte der ehemalige österreichische Landwirtschaftsminister Andreas Thaler den Plan einer geschlossenen österreichischen katholischen Ansiedlung in Südamerika und unternahm hierfür mehrere Reisen nach Südamerika, um den geeigneten Standort dafür zu finden. Er besuchte Anfang August 1931 bei seiner Paraguayreise den botanischen Garten bei Asuncion. Begleitet wurde er vom österreichischen Gesandten Alfons Knaßl- Lenz und dem paraguayischen Generalkonsul in Wien, Franz Hirsch. Im Jahr 1933 gründete er in Brasilien die Ortschaft Treze Tilias.

Glückhaft Schiff im Zeichen Olympias (Kleine Volkszeitung 14.08.1934)

Motorjacht in Flaggengala nach Paraguay

Etwa zweihundert Schritte oberhalb der Nußhofer Dampfschifffstation ist ein schmudes schlankes Scherflein vertäut, dem man seine wechselvolle Vergangenheit nicht ansieht. Bloß seine hoffnungsvolle Zukunft, die ein schlichtes Plakat unter der Flaggengala mit den inhaltsschweren Worten zündet: „Nach Paraguay“.Von der gleichen Stelle, von der man mit dem Motorboot der Binnenschifffahrtsgesellschaft einen Badeausflug nach „Kritz les bains“ unternimmt, und wo die Wachaudampfer der Donau-Dampfschifffahrtsgesellschaft nach genußreichen Ausflügen in die fernere Heimat anlegen, wollen auswanderungslustige junge Österreicher in die Ferne ziehen, um ihr Glück zu suchen.

16 Männer, 4 Frauen, 2 Kinder

Die Mannigfaltigkeit in der Einheit – um mit Gottfried Keller zu sprechen – macht das Österreichertum dieser kleinen Reifegesellschaft aus, die das Sportwagnis vielwöchiger Seereise in der Nussschale von Motorjacht der jämmerlichen Geborgenheit der Zwischendecküberfahrt vorziehen. Alle Bundesländer sind unter den zweiundzwanzig Wagemutigen vertreten, die auf Umwegen donauabwärts, durch das Schwarze Meer, den Bosporus, das Marmarameer, das Ägäische Meer, die italienische Küste entlang, die normale Dampferroute erreichen wollen, um ihrer neuen Heimat Paraguay entgegenzusteuern. Auch drei Reichsdeutsche, die weder hier noch drüben im Reiche Arbeit finden konnten, vier Frauen und zwei Kinder im Alter von acht und zwölf Jahren haben sich unter dem Schutz der farbenfrohen paraguayischen Flagge gestellt. „Wie kurzweilig, dass es nicht einen eintönigen Schlag Schweizer, sondern dass es Züricher und Berner, Unterwaldener und Neuburger, Graubündener und Basler gibt!“, sagt Gottfried Gellerem „Fähnlein der sieben Aufrechten“ als ob sie nun aus dem Kärntnerlandl, aus dem Thüringer Wald oder aus dem, niederösterreichischem Waldviertel stammen, segeln als österreichische Kolonie, die Not und Hoffnung zusammengeschweißt hat, in die Welt hinaus.

Vom U-Bootjäger zum Auswanderungsschiff

Ein ehemaliger amerikanischer U-Bootjäger, der, abgerüstet, dem Alteisenschicksal der amerikanischen Sachdemobilisierung nur dadurch entging, dass er eine Zeitlang als Luxusjacht eines Neureichen als Donaukommissionsschiff und schließlich als Donauremorqueur Unmengen von teuerem Betriebsstoff verschlang, rostete und faulte im Freudenauer Winterhafen ruhmlose Wracktode entgegen, bis es, sich vollglucksend, zu den weggeworfenen Lumpen Obdachloser auf Grund sank.

Es scheint jedoch, dass auch Schiffe ihre Schicksale haben. Das ehemalige Kriegsfahrzeug wurde gehoben und von unternehmungslustigen Arbeitslosen noch einmal seetüchtig gemacht. Mit zwei Turiner Fiat-Benzinmotoren zu 80 PS und einem Hilfssegel für alle Fälle ausgestattet, ist es jetzt wohl kein Rekordschiff, aber immerhin ein brauchbares Fahrzeug, dem sich die Auswanderer beruhigt anvertrauen können. Auf der Donau wird es der von den „Delphin“ Probefahrten bekannte forsche Donaukapitän Forget führen, in Turn-Severin bekommt das Schifflein einen griechischen oder türkischen Kapitän, der mit der immerhin beschwerlichen Küstenschifffahrt vertraut ist, und auf der Ozeanroute kommt ein Hamburger, Kapitän Barnert, an Bord.

Landwirte, Maurer, Tischler, Holzfachleute, einen Zimmermann, einen Maschinisten, einen Mechaniker haben die Paraguay-Auswanderer in ihren Reihen. Dann es wohl nicht fehlen, dass sie auf dem Stück Boden, das die Regierung von Paraguay ihnen geschenkt hat – es sind nicht weniger als 10 Hektar pro Person – auch als ein Dach über den Köpfen haben werden. Bis dahin wird ihnen das Schifflein, das am Heck bescheiden die Inschrift trägt: „Heimathafen Wien“ und an der Bordwand den sportstolzen Namen „Olympia“, auch in den neuen Heimatgewässern von Paraguay als schützendes Obdach dienen.

Präsident des Olympischen Komitees als Pate

Den Namen „Olympia“ erhielt das Schifflein, das im Laufe dieser Woche die Taue lösen wird, Sonntag vom Taufpaten, dem Präsidenten des Österreichischen Olympischen Komitees, Dr. Theodor Schmidt, der mit einem sympathischen Gefolge von begeisterungsfähiger Sportjugend erschienen war, um das Wagnis der Zwanzig als Sporttat zu feiern und ihren sportlichen kameradschaftlichen Geist anzueifern.

Vorher begrüßte und beglückwünschte der Kanzler und Leiter des Generalkonsulats von Paraguay Rittmeister Kaiser die Auswanderer, denen er feierlich die Handelsflagge von Paraguay überreichte. Dann brach Dr. Schmidt anders Unterwinde des Schiffleins einer Champagnerflasche den Hals und erinnerte daran, dass die „Olympia“ in der rotweißroten Staatsflagge das Symbol der olympischen Ringe trägt, in deren Zeichen das glückhafte Schifflein mit wehenden Wimpeln in den nächsten Tagen den stillen Heimathafen verlassen wird um neue Bande für die schöne Heimat zu knüpfen.

Wochenblatt / Österreichische Nationalbibliothek

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