Kolonie Sudetia feiert ihr 85-jähriges Bestehen

Kolonie Sudetia: Gestern feierte die eingangs erwähnte Kolonie im Departement Guaira ihr 85-jähriges Bestehen. Sie wurde von sudetendeutschen Auswanderern aus der damaligen Tschechoslowakei (CSSR) 1933 gegründet.

Im Folgenden die Rede auf dem Festakt des Deutschen Sportplatzes in der Kolonie Sudetia:

Am 1. Oktober 1933 war es soweit. Die Kolonie Sudetia wurde von Einwanderern aus den sogenannten Böhmischen Ländern, Böhmen, Mähren und Sudetenschlesiern gegründet. Ein kleiner Auszug, wie die Kolonie überhaupt entstanden ist.

800 Jahre lebten Tschechen und Deutsche friedlich miteinander. Das Aufkommen des Nationalsozialismus und die gleichzeitige Industriealisierung führten zu Spannungen zwischen den beiden Völkern. Im Zuge dessen beschlossen viele auszuwandern. Herr Peter stellte eine Studienkommission auf, um die Siedlungsmöglichkeiten in Paraguay zu erforschen. Die Regierung der damaligen CSSR (Tschechoslowakei) unterstützte Auswanderwillige.

Südöstlich der Kolonie Independencia gab es ein unbewohntes staatliches Siedlungsgebiet, das eine Fläche von 25 km² hatte. Deshalb entschloss man sich, in Kaufverhandlungen mit dem privaten Großgrundbesitzer Jorge Naville, ein Schweizer, einzutreten, deren Grundstück unmittelbar an die staatliche Fläche grenzte. Das gesamte Areal von Naville hatte eine Größe von 4.500 km².

Herr Peter reiste dann 1932 in seine Heimat zurück. Im Zuge dessen kam es zur Veröffentlichung von Anzeigen in deutschsprachigen Zeitungen über besonders gute Siedlungsmöglichkeiten in Ostparaguay. Im Juli 1932 kam eine erste Gruppe in Paraguay an, um das Land zu kolonisieren.
Weitere folgten, darunter befanden sich Gustav Jirikowski und Stefan Schanderl. Letztgenannter handelte mit Naville den Kaufpreis aus, der pro Hektar 17,50 argentinische Peso betrug. Im Mai 1933 folgte eine weitere Siedlergruppe und im August noch eine. Am 1. Oktober 1933 beschlossen die Siedler die Kolonie in Sudetia zu benennen, weil sie alle aus der sudentendeutschen Heimat ausgewandert waren. Die Kolonie Sudetia war damit gegründet worden.

Die größte Gruppe, darunter auch Albin Stock, erreichte das Gebiet erst Ende Oktober, dessen Nachfahren, wie auch Peter und Kosian, immer noch in der Kolonie leben. Auch Franz und Maria Stein, aus Klein Teßwitz, siedelten sich mit ihren fünf Kindern in der Kolonie an. Jedoch auch zwischen 1934 und 1937 kamen immer wieder neu Eingewanderte nach Sudetia.

Der Anfang war hart, vor allem weil die Kolonisten keine Landwirte waren. In der fernen Heimat übten sie verschiedene andere Berufe, wie Handwerker, Händler oder weitere aus. Deshalb fiel das Brunnenschlagen, der Häuserbau oder das Vorbereiten von Ackerflächen vielen schwer und sie gingen nach Buenos Aires, um dort ihr Glück als Arbeitnehmer oder Unternehmer zu suchen.

Vor über 80 Jahren wie auch noch heute prägt der Yerba-Anbau die Region der Kolonie, gefolgt vom Zuckerrohr. Früher wurden noch viele Bienen gezüchtet, um den begehrten Honig zu gewinnen. Das ist heute aber nur noch im geringeren Ausmaß der Fall, ebenso wie der Weinanbau fast gänzlich verschwunden ist.

Schon 1934, ein Jahr nach der Einwanderung, dachten die Kolonisten an die Bildung ihrer Kinder und es kam zu einem Unterricht, jedoch anfangs nur in einem Privathaus. Ein Jahr später, 1935, stand ein Schulgebäude, immer noch auf demselben Grundstück wie heute.

Im Mai 1945 kam es zur Enteignung der Schule und der Betrieb wurde eingestellt. 1946 konnte der Unterricht wieder aufgenommen werden, jedoch vorerst in Spanischer Sprache. 1950 unterrichtete die Lehrerin Margarete Petters wieder Deutsch und seit 1958 fördert auch die Deutsche Botschaft in Asunción die kleine Bildungseinrichtung.

Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott lautet ein Sprichwort, das auch auf die Einwanderer in der Kolonie zutraf. Deshalb war schon von Anfang an ein katholischer Pfarrer mit dabei, jedoch fehlte es an den notwendigen Mitteln, eine eigene Kirche zu bauen.

Oblatenpater Marin Clar nahm Ende der 50er Jahre das Zepter in die Hand und organisierte regelmäßige Wohltätigkeitsveranstaltungen. Mit dessen Einnahmen konnte der Bau finanziert werden. Das Grundstück, einen halben Hektar groß, stellte Franz Stein zur Verfügung. 1960 war dann die Kirche fertiggestellt, zugleich legte man einen Friedhof an.

Der Sport führte zu den Anfangszeiten der Kolonie ein Nischendasein, kein Wunder, denn nach der schweren körperlichen Arbeit auf den Feldern hatte keiner der Einwohner Lust sich weiter zu verausgaben. In den 50er Jahren fanden jedoch die Jüngeren immer mehr Gefallen am Fußballspiel. Ein Sportplatz und ein Verein dazu waren dringend notwendig. Am 1. November 1966 kam es zu der Gründung des Sportvereins Sudetia. Es schrieben sich 28 Mitglieder ein. Der erste Vorstand setzte sich folgendermaßen zusammen: Präsident Ewald Peterlik, Vizepräsident Hans Stein, gleichzeitig heute der letzte lebende Pionier aus der Gründungszeit der Kolonie. Schriftführer Herbert Kosian und Kassenwart Franz Neukirchinger.

Der provisorische Fußballplatz lag anfangs gegenüber dem heutigen Schulgebäude. Albin Stock verkaufte dann dem Vorstand eineinhalb Hektar Land und mittels Anleihen entstand dann das heutige Sportplatzgebäude, auf dem wir uns befinden. Ab 1980 wurden hier Schul-und Sportfeste abgehalten.
1993 kam es zur Einweihung der Kegelbahn, die aber seit Jahren nicht mehr genutzt werden konnte, weil es an dringenden Reparaturen, wie dem Dach, fehlte. Erst vor kurzem fand eine Neueinweihung statt.

Und damit sind wir auch schon von der Vergangenheit in der Neuzeit angelangt. Früher waren die Pioniere diejenigen, die die Kolonie prägten und für den jetzigen Wohlstand aller Bewohner sorgten. Nun aber wachsen neue Generationen heran, die andere Ideen haben und sie umsetzen. Sie führen nur das weiter, was begonnen wurde und man muss neidlos anerkennen, dass es bewundernswert ist, wenn sich jüngere Generationen um den Erhalt der Kolonie und deren Gemeinschaft sorgen.

Werfen wir noch einen kurzen Ausblick in die Zukunft, der sicherlich nur auf Mutmaßungen beruhen kann, denn wissen was passiert, weiß keiner. Obwohl der traditionelle Ackerbau und die Viehzucht immer noch die Kolonie und deren Region prägen hat sich ein Fieber entwickelt, das kaum mehr zu stoppen ist. Es ist das gefundene Gold in der Zone. Den einen bringt es Wohlstand, ja sogar Reichtum, bei den anderen ruft es Neid hervor. Flüsse, Bäche sogar Brunnen werden bei der Goldgewinnung verseucht, aber der Boom ist nicht zu stoppen. Es bleibt zu hoffen, dass dieses Phänomen irgendwann in geordneten Bahnen verläuft.

Eine weitere Errungenschaft, die sicherlich die Zukunft der Kolonie prägen wird, ist die neu gebaute Asphaltstraße. Und mehr noch, wenn weiter befestigte Wege, wie geplant entstehen, wird die Reise nach Encarnación oder Santa Rita über die Straße der Integration, initiiert durch Edwin Peter, ein Katzensprung sein. Damit verbunden viele wirtschaftliche Vorteile, für den Bezirk, die Region und die Kolonie Sudetia.

Als Schlusswort soll ein besonderes Dank an die Arbeit der geleisteten Einwanderer ausgesprochen werden, denn sie waren es, die den Widrigkeiten des Urwalds ausgesetzt waren und unter größten Anstrengungen das schier Unmögliche fertig brachten: Die Kolonie Sudetia zu gründen, zu erhalten und zudem zu machen, was sie jetzt ist. Das soll auch ein Appell an die nachfolgenden Generationen sein, diese Leistung zu würdigen und vor allem eines: In Ehre zu erhalten.

Ein weiterer Dank gilt Stefan Humplmaier, der in dankenswerter Weise in Erzählungen und Aufzeichnungen über die Vergangenheit der Koloniegeschichte berichten konnte, sodass diese in einem kurzen Abriss zusammengefasst werden konnte.

Auf dem Fest waren der Gouverneur aus Guairá, Dr. Juan Carlos Vera und der Bürgermeister aus Paso Yobai, Dr. Ronald Vazquez, vertreten. Seltsamerweise hat sich kein Vertreter von der Deutschen oder Österreichischen Botschaft an der Veranstaltung interessiert. Obwohl sie offiziell eingeladen wurden, kam weder eine Absage noch Zusage. Die Einladung wurde einfach ignoriert.

Wochenblatt

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2 Kommentare zu “Kolonie Sudetia feiert ihr 85-jähriges Bestehen

  1. 800 Jahre lebten Tschechen und Deutsche friedlich miteinander, aber unter der Donau Monarchie Österreich und Ungarn. Das Aufkommen des Nationalsozialismus, nein des Nationalismus der Tschechen wanderten rund 900.000 deutsch sprechende als 2.klasse Staatsbürger, schon vor dem 2. Weltkrieg aus. Der Rest wurde dann nach dem 2.Weltkrieg vertrieben.

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