Stroessner und Corona: Vielleicht brauchen wir doch wieder eine Diktatur der Vernunft

Brasilia: Man wird es nie mehr wissen, ob es unter Alfredo Stroessner eine Diktatur der Vernunft gegeben hätte, in Bezug auf die Infektionszahlen und den Quarantänemaßnahmen bei der Covid-19-Pandemie. Der brasilianische Präsident lobte jedoch die Staatsform des verstorbenen Präsidenten Paraguays.

Jair Bolsonaro sagte, der paraguayische Diktator sei “ein Mann mit Visionen und Zukunft gewesen”. Mehrere Personen kritisierten ihn für seine Rede.

Bolsonaro, Präsident von Brasilien, verhehlt seine Bewunderung für den ehemaligen paraguayischen Präsidenten und Diktator Stroessner nicht. Wieder einmal nutzte er eine Rede, die er am Dienstag während einer Zeremonie zur Amtseinführung des Direktors von dem binationalen Wasserkraftwerk Itaipú auf brasilianischer Seite hielt, um die Arbeiten zu erwähnen, die während seiner autoritären Regierung geleistet wurden.

„Die 70er Jahre haben große Persönlichkeiten hervorgebracht. Unser Agribusiness ist heute etwas Fantastisches, dank dieses Mannes, keinem anderen als unserem geliebten Ernesto Geisel. In Itaipú war es vor allem Emílio Garrastazu Médici, aber zusammen mit Alfredo Stroessner. Die Geschichte kann nicht geändert werden, sie ist eine Realität, Männer von Visionen, Männer der Zukunft, die uns in diesem Fall hier, das binationale Wasserkraftwerk geschaffen haben“, betonte Bolsonaro.

Der brasilianische Präsident wies darauf hin, dass für ihn die politische Karriere und die Arbeit der Diktatoren dieser Zeit, einschließlich Stroessner, brillant gewesen seien.

Vielen Paraguayern gefiel seine Rede überhaupt nicht, da sie sich daran erinnerten, dass alle von ihnen erwähnten Diktatoren das Land mit dem Tod von Unschuldigen mit Blut befleckt und Dutzende von Familien betrauert haben, die bis jetzt nicht einmal wissen, wo die Überreste ihrer verstorbenen Verwandten beerdigt wurden.

Vielleicht hätte aber Stroessner eine Lösung gehabt in Bezug auf die Pandemie, denn die wichtigste Einsicht besteht in der Tatsache, dass wir das Coronavirus auf kurze Sicht weder besiegen noch ausrotten werden. Nicht in drei Wochen und auch nicht in drei Monaten. Vielmehr müssen wir lernen, mit dem Krankheitserreger zu leben und sein zerstörerisches Werk in einem möglichst beherrschbaren Rahmen zu halten.

Dabei gilt es, der Gesellschaft, der Wirtschaft, der Demokratie und der sozialen Stabilität so wenig Schaden zuzufügen wie irgend möglich. Der ehemalige Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble hat diese Forderung in einen bemerkenswerten Satz gekleidet, der nur auf den ersten Blick gefühlskalt, sogar inhuman klingt. Das Gebot des Schutzes menschlichen Lebens, sagte Schäuble, sei nicht absolut zu verstehen. Keine Conditio sine qua non. Es sei eher relativ, also in Beziehung zu anderen Werten zu verstehen.

Was so schwer verdaulich daherkommt, ist ebenso richtig wie richtungsweisend. Niemandem, und das ist die innere Wahrheit des Schäuble-Satzes, ist damit gedient, wenn wir den Grundlagen unseres Gemeinwesens womöglich irreparablen Schaden zufügen. Selbst wenn es in der guten Absicht geschieht, Gesundheit und Leben der Bürger zu schützen.

Es muss gelingen, und das ist die eigentliche Aufgabe, der die Politik sich zu stellen hat, die binäre Welt der Zahlen mit der analog-vielschichtigen gesellschaftlichen Realität zu synchronisieren. In manchen Medien war in den vergangenen Wochen die Warnung vor einer “Diktatur der Wissenschaft“ zu lesen. Klingt das für Sie richtig?

Was es in einer Demokratie allerdings braucht – und das nicht nur in Zeiten von Corona –, ist etwas anderes: eine Diktatur der Vernunft! Und es ist fraglich, ob das Stroessner geschafft hätte, aber möglich ist ja alles: Wo ein Wille da ein Weg.

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4 Kommentare zu “Stroessner und Corona: Vielleicht brauchen wir doch wieder eine Diktatur der Vernunft

  1. Gegen ansteckende schnell mutierende viren kann man nichts tun. Das muss man durchlaufen lassen. In jedem fall muss es verboten werden, dass so etwas wie pandemiebekämpfung als ausrede für autoritäres abkassieren benutzt werden kann.

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  2. Wir können nicht wissen, wie Stroessner oder ein anderer Diktator gehandelt hätte.
    Und das ist auch nicht wichtig.
    Wichtig ist, wie all die kleinen Diktatoren, die sich vollmundig Demokraten schimpfen, aktuell handeln.
    Wir erleben es gerade live und in Farbe.
    Es ging ihnen nie um die Gesundheit der Bürger, sondern nur um Macht und Geld.
    Oder um Geld und Macht.
    Noch nie zuvor wurden Milliarden gesunde Menschen eingesperrt um einige Gefährdete zu schützen.
    Normal war und sollte es auch immer sein, daß die Vulnerablen isoliert und auf diese Art und Weise geschützt werden.
    Alleine daran, daß alles, was vor der “Pandemie” gängige Praxis war, auf den Kopf gestellt wurde, sehen wir, daß die Machthaber es nicht gut mit uns normalen Bürgern meinen.

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